Frühstück um sechs
Bedenken zu haben.
Ich war zum ersten Mal in dem Saal in Tiri, der meinen Vorstellungen wenigstens annähernd entsprach. Ein großer scheunenartiger Bau mit einem guten Tanzboden und einer kleinen Bühne, neben der zwei Winkel als Garderobe abgeteilt waren. Die Küche, komplett eingerichtet mit Kupferkessel und langen Tischen, war am anderen Ende des Saales. So ergab sich, daß jeder Gast seine manchmal nicht leichten Pakete mit Kuchen, und was er sonst für den Abend eingepackt hatte, durch den ganzen Saal tragen mußte.
Natürlich kamen wir zu spät, die Plätze zu beiden Seiten waren schon besetzt, als wir eintraten. Doch Larry ließ sich nicht in Verlegenheit bringen; sie hatte ihre und Sams Schuhe in eine große Tüte gepackt, so daß ihr magerer >Beitrag< wesentlich imposanter wirkte. Mir schien es, als schrumpfe mein Paket zusammen und meine Füße würden größer, während ich vor versammelter Menge mit laut hallenden Schritten durch den Saal ging.
Der Eßraum war tadellos sauber und recht gemütlich. Die Verteilung der Kuchen hatte die immer freundliche Mrs. Archer übernommen. Sie war entzückt, uns erscheinen zu sehen, und lobte alle unsere Erzeugnisse.
»Es ist hier — das Baby«, flüsterte sie mir zu, »und Mrs. Jolson ist so stolz. Sie hat ja seit dem Tode ihres eigenen keine Gesellschaft mehr mitgemacht.«
»Ich möchte gern hier bei Ihnen bleiben und helfen«, bot ich ihr pflichtmäßig an.
»Kommt nicht in Frage. Sie gehen hübsch in den Saal, mein Kind, und amüsieren sich. Ich betreue immer den Kessel mit dem Teewasser, mein Mann füllt ihn und macht das Feuer an. Nein, auch Tassen herumreichen sollen Sie nicht, denn Sie sind ja als Gäste hier.«
Also gingen wir wieder hackenklappernd durch den Saal, wo die Leute jetzt mit feierlichen Gesichtern im Twostep ihre Kreise zogen. In der Garderobe lag schön warm Mrs. Jolsons Baby im Kinderwagen, ein liebliches Bild. Ich beugte mich in der albern wirkenden ekstatischen Freude, die mich beim Anblick ganz kleiner Kinder stets erfaßt, über den Wagen. Larry blickte das Kind nur flüchtig an und schlug vor, nur >mal rasch das Weiße in seinen Augen zu untersuchen<. Ich weigerte mich entschieden, also betätigten wir nochmals unseren Lippenstift und verließen zögernd die Garderobe.
Gerade war der Tanz zu Ende, doch wir sicherten uns Plätze auf den harten Bänken, indem wir ungehörig schnell hinsausten. Es war ziemlich kalt dort, wir hätten unsere Mäntel besser nicht in der Garderobe lassen sollen. Ich bemerkte, daß aus ziemlicher Entfernung eine Frau mit strengem Gesicht sehr böse zu mir herüberschaute: Mrs. Grant. Sie hatte mich kürzlich angerufen und mich an einem Tage besuchen wollen, der mir sehr schlecht paßte, aber ich hatte vorgebeugt, indem ich sagte, ich würde so bald wie möglich zu ihr kommen. Und das hatte ich dann vergessen.
Larry half mir nicht aus der Verlegenheit. »Ach, daran kannst du im Augenblick nichts ändern. Drück dich vor ihr, solange es geht. Aber ich weiß ja, du wirst nachgeben, wenn sie verlangt, daß du nächste Woche zu ihr kommst. Aber ohne mich, vergiß das nicht!«
Die Beleuchtung war schwach. Elektrisches Licht gab es selbstverständlich nicht, sondern es hingen an der Decke fünf große Petroleumlampen, in einem Wust von Papierfahnen, die einmal sehr bunt gewesen, aber jetzt ganz verblichen und verstaubt waren. Larry erklärte mir, sie würden jedes Jahr einmal erneuert, zum Weihnachtsfest für die Kinder.
Die Frauen waren, wie sie gesagt hatte, sehr verschieden angezogen. Die älteren trugen Jacken über Bluse und Rock, die meisten jungen Mädchen dünne Kleider, ein paar kühne Geister erschienen in teuren Abendgewändern. Larry machte ziemlich abfällige Bemerkungen, während ich fand, daß die meisten Mädchen ebenso nett aussahen wie in der Stadt beim Tanzvergnügen.
Und sie verstanden, andern das Tanzen beizubringen. Ich bildete mir ein, daß wir drei uns als Tänzerinnen in jedem Ballsaal sehen lassen könnten, aber diese Mädchen vom Land tanzten ganz vorzüglich. Sie nahmen ihre Sache auch sehr ernst, denn hier interessierte sie nur der Tanz, durch den allein sie ihre künstlerische Begabung ausdrücken konnten. Also verschwendeten sie wenig Zeit mit Gesprächen.
Im übrigen bewegten sie sich steif und korrekt. Keiner fiel ein, mit einem Mann ins Freie zu gehen. Sobald ein Tanz zu Ende war, ließen ihre Partner sie los wie einen heißen Stein und gesellten sich zu den Männern,
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