Frühstück um sechs
kleine Hilary« — so nannte sie Larry oft aus reiner Bosheit, weil sie ihr das vertrauliche >Larry< nicht gönnte — »unsere liebe kleine Hilary hat immer einen Sack voll Überraschungen bereit.«
Ich zog mich mit Larry in die Küche zurück, wo sie mit einem Seufzer der Erschöpfung auf die Brotkiste sank.
»Wieso sagte sie immer >kleine Ich bin einssiebzig groß und drei Zentimeter größer als sie. Ach, noch sechs lange, deprimierende Tage! Heute morgen wäre ich beinah geplatzt. Gott sei gelobt, daß ihr uns zum Tee eingeladen habt!«
»Trag das nur nicht so dramatisch vor. Bei schönem Wetter fahren wir sie spazieren, und wenn’s regnet, zwingen wir die Männer, mit ihr Bridge zu spielen. — Da kommt gerade der Colonel angefahren. Nun können wir ja beobachten, wie die zwei sich wiedererkennen.«
Larry blickte böse aus dem Fenster. Nichts war ihr heute recht. »So einen Wagen wie der hat, schafft man sich doch nur aus Protzerei an. Aha, die nun wieder ortsgebundene Tochter kommt mit, aber leider kein Julian. Das wird ja heute ein gelächterloser Tee, wie ich so etwas nenne.«
»Ein Glück, daß Julian zu Hause geblieben ist, dann kannst du wenigstens nicht vor den Augen deiner Schwiegermutter mit deinen Eroberungen dicketun.«
Als ich hinausging, um den Colonel zu begrüßen, merkte ich deutlich, daß er sich mir gegenüber weniger formell geben wollte, während er Larry noch etwas frostig begrüßte.
»Wenn der versucht, mich vor den Kopf zu stoßen, werde ich ihn mit Cholly anreden«, murmelte sie, ohne daß die andern es bei ihrem lebhaften Geschwätz hören konnten.
Allem Anschein nach war er hocherfreut, Mutter zu sehen. Eigentlich war das ein rührendes Bild und für mich ein Beispiel, wie alten Leuten zumute ist, wenn sie plötzlich jemand wiedertreffen, mit dem sie in jungen Jahren vergnügt waren.
»Weißt du, Brenda, eine kleine Glocke schlug in mir schon an, als ich deine Tochter kennenlernte. Eine gewisse, wenn auch nur schwache Ähnlichkeit fiel mir gleich auf, doch ich konnte mich nicht besinnen, wem sie ähnlich sah.«
Mutter sagte mit sichtlichem Behagen, er solle nur abwarten, bis er Felicity zu sehen bekäme, die gliche haargenau dem jungen Mädchen, mit dem er damals in England bekannt war. Ich grinste Larry an, während ich daran denken mußte, wie kalt der Panjandrum gewesen war, als ich ihn im Laden kennenlernte, wie kühl er sich auf dem Hof beim Schafebaden benommen und wie steif und humorlos er mich aus dem Schlafzimmerfenster gerettet hatte. Wie wäre er wohl hier aufgetreten, hätte nicht die >kleine Glocke< in ihm angeschlagen, die sowieso nur sehr leise geklungen haben konnte.
Immerhin hatte ich es, wie Larry sagte, >weit gebracht<. Der Nachmittag wurde höchst erfolgreich. Mrs. Lee war so liebenswürdig, daß sie sogar vergaß, sich über die >Schundromane< zu mokieren, die Larry las. — »Im allgemeinen, Susan, erzählt sie jedem Menschen, ich hätte kein Interesse an guter Literatur — das habe ich allerdings auch nicht, aber sie braucht das trotzdem nicht so hochtrabend zu sagen.« — Ich spürte deutlich, daß sie nun der Ansicht war, Larry hätte hier doch die richtigen Freunde gefunden.
»Mein Bedarf ist bald gedeckt«, sagte Larry, als wir drei hinausgingen, um für den Tee zu sorgen.
»Weshalb redest du denn nicht?« fragte ich. »Stumm wie ein Fisch hast du dagesessen und mit deiner Schwiegermutter den ganzen Nachmittag kein Wort gesprochen.«
»Weiß ich. Vor anderen Leuten rede ich nur selten mit ihr, einfach, weil ich keine Anrede für sie habe«, erwiderte sie kühl. »Sie Mutter zu nennen bringe ich nicht fertig, zumal ich an meine Mutter, die sicher ganz anders gewesen ist, gar keine Erinnerung mehr habe. Und wenn ich sie Binkie nennen müßte, würde mir speiübel. Nun weißt du Bescheid. Seit drei Jahren habe ich eine Anrede vermieden und kann doch jetzt nicht, nur dir zuliebe, damit anfangen.«
Auch ohne Larrys aktive Mitwirkung war unser Tee ein entschiedener Erfolg, der für die ganze Woche den Ton angab. Sie sagte später, sie hätte nie geglaubt, daß ihre alljährliche Leidenszeit diesmal so glimpflich verlaufen würde. Ihre einzige Sorge sei jetzt, daß eine halbjährliche daraus werden könnte.
Das Wetter war ganz prächtig, so daß wir mehrere Ausflüge machen konnten: zum Colonel, zu einem besonders schönen Aussichtspunkt und zur Westküste, wo wir die Brandung bestaunten. Außerdem wurde abends Bridge gespielt. Der Colonel und
Weitere Kostenlose Bücher