Frühstück um sechs
Julian spielten beide sehr gut. Tim und Anne legten eine komplizierte Patience, bei der anscheinend um jeden kleinen Vorteil furchtbar viel geredet werden mußte. Es wurde eine vergnügliche Woche, in der mir erst richtig zum Bewußtsein kam, wie reizend meine Mutter im Grunde ist. Jeder hatte sie gern, und Larry sagte zu Paul, sie wüßte gar nicht, was sie verbrochen hätte, um eine Schwiegermutter wie Mrs. Lee zu kriegen.
Mutter hatte eine Schwäche für Julian, der klug genug gewesen war, sich von Larry möglichst fernzuhalten, solange Mrs. Lee da war.
»Ich freue mich sehr auf Cholly«, sagte Mutter. »Er wird dann natürlich seine Farm hier verkaufen und wieder nach England ziehen. Die Ardens schwimmen ja in Geld und haben sogar bei diesen kümmerlichen Zeiten einen sehr guten Stand im Bezirk.«
Wir verabschiedeten alle zusammen die Mütter. Der Panjandrum bestand darauf, beide >Mamas< persönlich nach Te Rimu zu fahren. Schon der Gedanke, daß sie den Postomnibus nehmen sollten, verursachte ihm eine Gänsehaut. Sam brachte als braver Sohn seine Mutter bis ins Abteil, während wir andern, Anne, Larry und ich, Julian, Tim und Paul, begeistert winkten, bis der Zug um die erste Kurve verschwand. Dann ließ Larry einen gewaltigen Seufzer vom Stapel.
»Ach, jetzt möchte ich mich tatsächlich mal ordentlich betrinken oder saftige Witze erzählen! Da ich aber leider keinen Schnaps mag und nicht weiß, was die Leute unter saftigen Witzen verstehen, bin ich lackiert.«
Immerhin konnte ich einen wirklich guten Sherry auftischen, ein Geschenk von Papa. Larry ließ sich herbei, ihn zu probieren. Während wir alle auf die lieben Abgereisten tranken, gab sie doch eine Geschichte zum besten.
»Meine schönste Erinnerung an diesen Besuch, liebe Tafelrunde«, begann sie mit feierlicher Miene, »wird der Vorfall mit Christina bleiben, als sie sich einmal vorbeibenahm. Ihr wißt ja, daß das Zicklein an und für sich stubenrein ist, jedenfalls beinah, aber bei Regen mag sie nicht aus der Wohnung gehen. Meine Schwiegermutter kam in die Küche, ehe ich Zeit fand, Besen und Kehrschaufel zu holen, und sah das Entsetzliche. Gerade wollte ich mich entschuldigen, da sagte sie: >Das sieht unserer lieben kleinen Hilary wieder mal ähnlich: Korinthen ausgerechnet dann zu verschwenden, wenn Trockenfrüchte so schwer zu bekommen sind!!!<«
»Und was haben Sie geantwortet?« fragte Julian. »Na, heraus mit der Sprache, wir sind aufs Schlimmste gefaßt.«
»Nichts. Kein Wort. Aber ich war in schrecklicher Versuchung, diese >Korinthen< zusammenzufegen und sie ihr anzubieten, damit sie für ihren nächsten Bridgeabend einen schönen Obstkuchen backen konnte. Getan habe ich das freilich nicht. Das ist eben das Üble, wenn man eine Lady sein muß.«
»Ja, dadurch wird Ihnen das Leben außerordentlich erschwert«, stimmte Julian verständnisvoll und ganz ernst zu.
10
Mit der friedlichen Winterstille war es plötzlich aus, als der Juli kam. Eine Serie böser Stürme setzte ein, unsere Tage galten nur der Sorge um die Schafe. Paul war den ganzen Winter über dreimal wöchentlich zu den Mutterschafen geritten, doch jetzt machte er das jeden Tag. Das hieß: sofort nach dem Frühstück aufbrechen, mittags im Galopp zu einer eiligen Mahlzeit nach Hause und gleich wieder hinaus bis zum Einbruch der Dunkelheit. Abends war er so müde, daß er in seinem Sessel vor dem Kamin einnickte.
Kurzum: ich hatte mit den Junifrösten meinen Ehemann verloren. Es mußte etwas geschehen, um das zu ändern. Bei schönem Wetter ritt ich mit ihm auf die Weiden, wodurch ihm freilich nichts abgenommen wurde, aber mir behagten die langen, allzu ruhigen Tage im Hause nicht mehr. Ich hatte geholfen, verlassene Lämmer aufzuspüren und zurückzuholen, ich hatte gelernt, auf jeder Koppel die Stelle zu finden, von der aus sich die Schafe am besten überwachen ließen — warum sollte ich keine Schafhirtin werden?
»Ich könnte doch ein paar von den nächstgelegenen Koppeln übernehmen, denn ich weiß ja jetzt Bescheid«, sagte ich zu Paul.
Er sah mich erfreut, aber zweifelnd an. »Das bedeutet allerdings, bei jedem Wetter draußen zu sein.«
»Na und? Ich erkälte mich nie, außerdem habe ich einen guten Ölmantel und Gummistiefel.«
»Lädst du dir damit nicht zuviel Arbeit auf?«
»Aber nein! Ich bin dann wenigstens gezwungen, mit der Hausarbeit keine großen Umstände zu machen. In Wirklichkeit habe ich doch nichts weiter zu tun als Scheuern und
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