Frühstück um sechs
die Mundwinkel herab, doch ich härtete mein Gemüt. In diesem Moment schob sich mühsam der Ladenbesitzer durch das Gewühl auf uns zu. Es war ein alter Freund von Larry und sicherlich auch einer ihrer begeisterten Verehrer. Ich verlor keine Zeit, ihn für meinen Standpunkt zu gewinnen, und zu meiner Überraschung stimmte er mir vollkommen bei.
»Ihre Freundin hat recht, Mrs. Lee«, sagte er. »Stehen würde Ihnen der Stoff ja vorzüglich, doch zum Nähenlernen ist er zu teuer. Wir haben aber noch ein Stück sehr hübschen Moiré, den ich noch nicht ausgezeichnet habe, weil wir ja auch für morgen etwas behalten müssen. Wenn Sie sich unauffällig hinter den Vorhang dort zurückziehen, werde ich Ihnen den Stoff bringen.«
Das war Verkaufskunst mit Psychologie. Der geheimnisvolle Vorhang und das Wort >unauffällig< fingen uns ein, wir kauften den Stoff. Larry warf, ehe sie mir kleinlaut zum Schnittmusterladen folgte, noch einen letzten sehnsüchtigen Blick auf den Samt, der jetzt für ein halbes Dutzend Frauen in Stücke geschnitten wurde.
Hier mußte ich wieder ihre hohen Ambitionen eindämmen. Zum Glück legte sie es darauf an, die Einheimischen zu schockieren, indem sie ein Kleid mit dem denkbar geringsten Stoffaufwand wählte, so daß ich — nachdem ich sie überzeugt hatte, daß ein Krinolinenrock unsere Verhältnisse übersteige — einen Schnitt aussuchen konnte, an dem kaum etwas falsch zu machen war, und zwar einen, den ich schon früher einmal benutzt hatte. Trotzdem kam ich ganz erschöpft wieder heim zu Paul, der völlig mitleidlos blieb.
»Es ist doch immer dasselbe, du läßt dich einfach so mitreißen, und Larry wickelt dich glatt um den Finger.«
»Tut sie nicht! Das kann gar keiner. Aber sie hat nur wenig Geld und möchte sich doch ein Kleid nähen.«
»Alles Zeitvergeudung. Der Stoff würde sich zu Gardinen eignen, für ihr hinteres Fremdenzimmer. Falls ihn nicht vorher ihre Hunde zu fassen kriegen.«
Larry vermochte die Zeit schöpferischer Tätigkeit kaum abzuwarten. Vier Tage später, als wir mit den Schafen vorläufig fertig waren, rief sie mich an: »Am besten wäre, du kämst zu mir, Susan, denn du magst doch die Maschine so gern. Mir paßt es gut, weil Sam den ganzen Tag nicht zu Hause ist.«
Doch nicht lange danach klingelte das Telefon ganz toll, und diesmal sprach Larry in dem eigenartigen, zischenden Flüsterton, den sie in kritischen Lagen sogar am Telefon an sich hat: »Ach, Susan, es ist zu verrückt. Mrs. Millar ruft mich an, sie will morgen zu mir kommen und dann mit mir zusammen dich besuchen.«
Das wurde auch Zeit. Ich war schon ein bißchen eingeschnappt, daß Mrs. Millar meine Existenz in aller Ruhe zu ignorieren schien. Sie galt als die einzige >geistig hochstehende< Frau in der Gegend. Jeder hatte zu mir gesagt: »Mrs. Millar, die wird Ihnen gefallen, Sie haben soviel gemeinsame Interessen, Bücher und so weiter.« Aber dabei war es geblieben. Und ich sagte mir, nicht ohne Hochmut, daß mich ja tatsächlich geistige Fragen interessierten. Da war doch zumindest meine Schriftstellerei. Wenn ich daran dachte, wurde es mir nicht schwer — das gebe ich mit Vergnügen zu —, mich selbst auszulachen.
Millars hatte ich bisher erst einmal getroffen, und die Begegnung verlief nicht gerade sehr günstig. Sie waren im Laden gewesen, als ich mit Larry die Post abholte, gerade eine Woche vor unserem unseligen Theaterstück. Miss Adams machte uns miteinander bekannt, und ich beging den Fehler, Mrs. Millar zu fragen, ob sie zu dem Konzert kommen würde. Sie war eine sehr große, hagere Dame und trug eine einer Nonnenhaube nachgeahmte Kopfbedeckung. Ihr korpulenter Mann hatte etwas Gieriges im Blick. Er musterte uns intensiv.
»Der tätschelt und kneift einen immerfort, wenn man ihn zu nahe kommen läßt«, hatte Larry gesagt, und ich konnte es mir vorstellen.
»Nein, das werde ich wohl nicht«, erwiderte Mrs. Millar auf meine Frage wegen des Konzerts. »Abends gehe ich sowieso ungern aus. Aber eine Spende muß ich wohl hinschicken. Bin immer für direktes Geben, Mrs. Russell.«
Nachdem sie gegangen waren — und Mr. Millar vergebens versucht hatte, Larry anzufassen - lächelte Tantchen nachsichtig und sagte: »Sie ist sehr nett, wenn man sie näher kennt. Hat nur schlechte Manieren. Im Grunde ist es bloß Schüchternheit.«
»Aber reichlich hochnäsig, finde ich. Mißbilligt wohl unsere Vergnügungen.«
»Sie würden auch nicht gern zum Tanzen gehen, wenn Paul ebenso erpicht
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