Frühstück um sechs
Dreck?
»Ja, ja — unangenehm, wenn der Kühler undicht ist, noch dazu bei so trockenem Wetter«, fiel ich gleich wieder ein. Als mir einfiel, daß es letzte Woche zwei volle Tage geregnet hatte und gerade jetzt wieder ein schwerer Guß bevorstand, redete ich blindlings weiter: »Und ich hatte mir ein Buch holen wollen, das ich Larry geliehen und noch nicht zurückbekommen habe.«
»Ach ja, die Menschen gehen oft so gleichgültig mit Sachen um, die einem lieb sind. Vielleicht brauchten Sie es gerade für Ihre schriftstellerische Arbeit?«
»Ja, ja — dafür«, erwiderte ich und türmte auch diese unnötige Lüge noch auf die andern.
»Ich kann vollkommen verstehen, wie unangenehm das für Sie ist«, sagte Mrs. Millar. Das klang alarmierend. »Ihre schriftstellerische Tätigkeit interessiert mich sehr. Wenn Sie wieder ganz gesund sind, wird sich hoffentlich...«
In diesem Moment erstarrte ich vor Entsetzen. Zufällig hatte ich kurz durchs Fenster geblickt und gesehen, daß die Tür vom Holzschuppen aufsprang, und ruckartig ein Wesen herauskam. Es warf einen Blick nach meinem Fenster, sank auf alle viere und kroch in sehr merkwürdiger Gangart, wie eine Riesenspinne, blitzschnell quer über den Hof in den Schutz des Holzstapels. Die >Spinne< trug das Mieder eines dunkelblauen Abendkleids und ein dünnes rosa Höschen und wurde von zwei vor Freude fast hysterischen Hunden begleitet.
Das war zuviel! Ein glucksender Schreckenston entfuhr meinem Munde, während Tränen echter Selbstbeherrschung mir in die Augen traten. Wo befand sich Mr. Millar? Wenn er noch auf der Veranda war, mußte ein gewisses Bild im Hof für ihn ja ein köstlicher Leckerbissen gewesen sein! Mrs. Millar sagte freundlich: »Ich merke, daß Sie noch immer erkältet sind, und darf Sie daher nicht mehr aufhalten. Wo mag denn nur Percival stecken?«
Ja, das war die Frage. Hoffentlich nicht hinter dem Holzstapel, betete ich im stillen. Doch gerade tauchte er in unser Blickfeld. Er trug einen alten Krug, den er am Wassertank beim Kuhstall gefüllt hatte. Mit einem Schwall von Redensarten brachte ich sie rasch auf den Weg, indem ich ihnen noch hinterlistig bis zum Tor folgte, um den Krug zurückzuholen. Als ich »auf Wiedersehen«, sagte, überfiel mich plötzlich die Scham. Mrs. Millar war wirklich nett, und ich hatte so viele Lügen erzählt!
»Bitte besuchen Sie mich doch recht bald«, sagte ich. »Wollen wir nicht gleich einen Tag festsetzen?« Das taten wir, worauf ich das Gefühl haben durfte, ein wenig wiedergutgemacht zu haben.
Während ich zum Hause zurückeilte, setzte der Regenguß ein, der gedroht hatte. Rachsüchtig dachte ich an Larry, ohne Dach hinter dem Holzhaufen, und mit Bedauern an den schönen blauen Taft. Doch um den hätte ich mich nicht zu sorgen brauchen: Als die ersten dicken Tropfen fielen, traten Larry und ich gleichzeitig ins Haus, sie durch die Hintertür und ich vorn. Sie war noch genauso grotesk gekleidet. Hemmungslos lachend sank sie aufs Sofa.
Ein starkes Schuldgefühl hinderte mich zuerst daran, in ihr Gelächter einzustimmen, dann aber konnte ich nicht anders. Als wir uns wieder gefaßt hatten, stöhnte Larry: »Nein, mir so einen üblen Streich zu spielen! Bloß um zu sehen, ob ich die Wahrheit gesagt habe, sind sie gekommen!«
»Nein, deswegen nicht. Sie hatten kein Wasser mehr im Kühler, der furchtbar heiß geworden war.«
»Na, dann bin ich ja froh, daß sie einen Grund hatten. Aber das war knapp mit uns, was? Du hast sie dir ja fix vom Halse geschafft. Meinst du, daß sie was gemerkt hat?«
Kein Mensch sollte wissen, daß ich Mrs. Millar für mich gewonnen hatte durch das furchtbare Geschwätz über meine Schriftstellerei, am wenigsten Larry. So sagte ich würdevoll, aber nonchalant: »Oh, sie hatte sehr viel Verständnis. Nächste Woche will sie mich besuchen.«
Und dann kam mir wieder das Bild auf dem Hof in Erinnerung, so daß mich noch ein wilder Lachanfall schüttelte. »Aber wo hattest du denn nur gesteckt, und warum kamst du auf allen vieren zum Vorschein?«
»Im Geräteschuppen war ich. Und da lief eine Ratte ‘rum. Ein Riesenbiest. Die glotzte mich an und leckte sich die Barthaare. Du weißt ja, wie ich mich vor Ratten ekle.«
Ich wußte es und fühlte mich gerächt. »Aber weshalb gingst du nicht normal?« fragte ich, noch lachend.
»Na, ich dachte doch, sie könnten jeden Moment ans Fenster kommen und mich sehen.«
Und ich wünschte für einen Moment, sie hätten!
»Möchte wissen«,
Weitere Kostenlose Bücher