Frühstück um sechs
Jahre alt waren.
An der Dürftigkeit der Stoffe waren nicht die Bibliothekare schuld, denn neue Bücher waren schrecklich teuer und die Verdienstspannen sehr klein, so daß die Leute wenig Unternehmungslust aufbringen konnten. Wagten sie, Bücher auf Grund guter Kritiken in England zu kaufen, dann waren es oft so >schwierige< Stoffe, daß in unserer Kleinstadt niemand sie lesen wollte, oder sie waren so unanständig, daß die Kunden, nachdem sie jedes Wort begierig gelesen hatten, sie mit vernichtenden Bemerkungen über den Geschmack des Bibliothekars zurückgaben.
Mrs. Millar ermöglichte mir den Beitritt zur Bezirksbibliothek, bei der jeder, der von den kleinen Bibliotheken mindestens zehn Meilen entfernt wohnte, auf dem Postwege monatlich drei Bücher bekommen konnte, die ihn außer dem Rückporto nichts kosteten. Es waren alles Neuerscheinungen, und wenn auch nicht viele Sensationsromane dabei waren, so konnte ich mir die entspannenden leichteren Bücher immer noch in Te Rinui ausleihen. Ich fand es wundervoll, Listen nach den Kritiken in ein paar guten englischen Zeitschriften, die Mrs. Millar mir lieh, zusammenzustellen und nach und nach die meisten dieser Bücher tatsächlich zu bekommen. Das war fast zu schön, um wahr zu sein.
Larry sah mir beim Aufstellen der Liste zu und sprach ironisch von meinem >geistigen Erwachen<. Mein Interesse an Mrs. Millar nahm sie mir nicht im geringsten übel, denn sie wußte ja, daß sich dadurch an unserer Freundschaft nichts änderte. Niemand konnte mir ein so guter Kamerad sein, mir soviel Spaß machen und bei Dingen, die sie verstand, so teilnahmsvoll sein wie Larry. Manchmal machte sie Bemerkungen über die Bücher auf meinem Tisch.
»Sitwell«, sagte sie zum Beispiel, »ja, von dem hat Julian mal was erwähnt, aber ich dachte immer, das wäre der Name für einen Patentsessel — sit well. Ach hier, >Gelächter im Nebenzimmer<, was für ein hübscher Titel! Freilich sieht der Mann auf dem Umschlag nicht nach Lachen aus, oder findest du? Aber ich freue mich doch, daß du nun die richtigen Bücher gefunden hast, und da siehst du mal, wie gut es war, daß ich Mrs. Millar den kleinen Schwindel erzählt und euch dadurch zusammengebracht habe. Wenn du hier geistige Not gelitten hättest, wären daraus vielleicht noch alle möglichen psychologischen Verwirrungen entstanden.«
Ich ignorierte diesen Hinweis, erklärte ihr aber, es sei mir immer noch unangenehm, Mrs. Millar belogen zu haben. Bisher hatte ich es noch nicht fertiggebracht, mich so sorglos über Schwindeleien hinwegzusetzen wie Larry.
»Ach, darüber machst du dir Gedanken?« sagte sie. »Das ist verkehrt, von wegen der Komplexe und so, weißt du. Verdirbt womöglich noch unsere Freundschaft. Ich werde ihr alles erzählen, sobald ich sie wieder sehe.«
»Was willst du ihr erzählen?« Ich war platt.
»Na, daß ich den ganzen Schwindel erfunden habe, und von unserer Schneiderei, die wir gern fertighaben wollten. Und daß ich dann ausgekniffen bin und du allein warst und mich nicht verraten konntest. Sie wird das schon verstehen, ist ja selbst ganz versessen auf schöpferische Tätigkeit. So eine dumme Sache auf dem Gewissen zu haben ist ja auch wirklich gräßlich.«
»So? Hast du nicht eine ganze Menge auf dem Gewissen?«
»O nein. Im allgemeinen ist das einfach wie ein Spiel, nur wenn’s dir mal ungemütlich wird, merkst du, daß du schlecht gespielt hast, und machst es wenigstens dann wieder gut.«
»Nun, meinetwegen brauchst du das nicht zu tun. Ich kann mich schon selbst verteidigen, und es war ja auch, wie Paul sagen würde, ganz meine eigene Schuld. Wie kommst du übrigens mit dem Kleid zurecht?«
»Tja, wenn ich ehrlich sein soll, so richtig scheine ich nicht voranzukommen. Ist ja auch Unsinn, was da auf dem Schnittmuster steht von >unsichtbaren Nähten »Ach wo, das glaube ich nicht. Ist bloß Faulheit. Bring mir das Kleid her, dann mache ich es fertig. Zum Glück habe ich keine >Hemmungen< in dieser Richtung, und wenn du wirklich aufs Nähen wild bist, ist’s besser, so eine Arbeit möglichst bald zu erledigen.«
»Was das schlimmste ist: Die Fachleute erzählen dir viel über die Ursachen von Komplexen, aber nicht, wie du sie überwinden kannst. Eigentlich
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