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Fuchsjagd

Titel: Fuchsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Grauzone des Gesetzes…« Solange keine Einigung darüber erzielt sei, wem das Land gehörte, könne sie herzlich wenig tun. Ja, natürlich sei das ungerecht. Natürlich verletze das jedes Rechtsgefühl. Natürlich sei sie auf der Seite der Steuerzahler.
    Aber…

    Shenstead Manor, Shenstead, Dorset

    Oktober 2001

    Liebe Miss Smith,
    mein Anwalt hat mich darüber in Kenntnis gesetzt, dass Sie vorhaben, gegen mich zu klagen, sollte ich versuchen, mit Ihnen Verbindung aufzunehmen. Aus diesem Grund möchte ich klarstellen, dass ich Ihnen ohne Wissen Mark Ankertons schreibe und allein die Verantwortung für dieses Schreiben trage. Ich darf Ihnen versichern, dass eine eventuelle Klage Ihrerseits nicht angefochten werden wird und ich jegliche gerichtlich festgesetzte Entschädigung bezahlen werde.
    Ich kann mir denken, dass Sie sich in Anbetracht des eben Gesagten wundern, was mich treibt, einen möglicherweise so kostspieligen Brief zu schreiben. Nennen Sie es ein Hasardspiel. Ich wette bei einer Chance von zehn zu hundert – vielleicht sogar von eins zu hundert – die Entschädigungskosten darauf, dass Sie mir antworten werden, Miss Smith.
    Mark hat Sie mir als eine intelligente, ausgeglichene, erfolgreiche und mutige junge Frau geschildert, bedingungslos loyal zu ihren Eltern und ohne das geringste Verlangen, irgendetwas über Menschen zu erfahren, die ihr völlig fremd sind. Er hat mir berichtet, dass Sie einer alten traditionsreichen Familie angehören und den Wunsch haben, nach Ihrer Entlassung aus dem Militär den Hof ihres Vaters zu übernehmen. Ferner sagte er mir, dass Mr. und Mrs. Smith sehr stolz auf Sie sein können, und vertrat die Ansicht, dass Ihnen nichts Besseres hätte widerfahren können, als von dieser Familie adoptiert zu werden.
    Bitte glauben Sie mir, er hätte mir nichts Erfreulicheres berichten können. Meine Frau und ich haben stets gehofft, dass Sie bei guten Menschen aufgehoben sein mögen. Mark hat mehrmals betont, dass Sie an Ihren Blutsverwandten kein Interesse haben, ja, nicht einmal ihre Namen wissen möchten. Wenn das immer noch unverändert zutrifft, dann werfen Sie dieses Schreiben jetzt weg und lesen Sie nicht weiter.
    Ich hatte immer eine Vorliebe für Fabeln. Als meine Kinder klein waren, habe ich ihnen ÄSOP vorgelesen. Sie liebten besonders die Geschichten vom Fuchs und vom Löwen, aus Gründen, die sich gleich zeigen werden. Ich möchte in diesem Brief nicht allzu deutlich werden, da ich auf keinen Fall den Eindruck vermitteln möchte, dass Ihre Gefühle mir nichts bedeuten. Aus diesem Grund lege ich eine Variante einer ÄSOPschen Fabel und zwei Zeitungsausschnitte bei. Nach allem, was ich von Mark über Sie gehört habe, bin ich überzeugt, dass Sie fähig sind, zwischen den Zeilen aller drei Schriftstücke zu lesen und einige zutreffende Schlussfolgerungen zu ziehen.
    Lassen Sie mich hier nur sagen, dass meine Frau und ich im Gegensatz zum Ehepaar Smith bei der Kindererziehung kläglich versagt haben. Es wäre einfach, die Schuld an diesem Versagen dem Militär zu geben – meinen häufigen Abwesenheiten und damit einer fehlenden Vaterfigur, den Stationierungen im Ausland, während der die Kinder ganz ohne Eltern waren, den Einflüssen, denen sie im Internat ausgesetzt waren, der mangelnden Aufsicht in den Ferien zu Hause –, aber das wäre nicht richtig.
    Die Schuld tragen wir. Wir verwöhnten sie, um sie für die fehlende Zuwendung zu entschädigen, und legten ihr ungezügeltes Betragen als ein Buhlen um Aufmerksamkeit aus. Wir nahmen den Standpunkt ein – das muss ich leider zu meiner Schande gestehen –, dass der Name der Familie geschont werden müsse, und verlangten von unseren Kindern selten, wenn überhaupt, sich zu ihren Fehlern zu bekennen. Der schwerste Verlust waren Sie, Nancy. Aus dem schlechtesten aller Gründe – Hochmut – halfen wir unserer Tochter, einen »guten Mann« zu finden, indem wir ihre Schwangerschaft geheim hielten und unser einziges Enkelkind weggaben. Wäre ich ein gläubiger Mensch, so würde ich sagen, es war die Strafe für die Überbewertung der Familienehre. Wir gaben Sie voreilig auf, um unseren guten Ruf nicht zu beschädigen, und hatten keine Ahnung von Ihren guten Anlagen und dem, was die Zukunft bringen würde.
    Die Ironie des Ganzen traf mich schlagartig, als Mark mir erklärte, wie unbeeindruckt von Ihrer Verbindung zu unserer Familie Sie sich zeigten. Letztlich ist eben ein Name nur ein Name, und das Format einer Familie liegt

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