Fucking Berlin
herzlich wenig, erst als sie anfing, über Geld zu reden, spitzte ich die Ohren.
»Wenn du nicht hässlich oder dumm bist, kannst du locker drei-, vierhundert Euro am Tag verdienen«, hieß es. Das überzeugte mich.
Ladja war gar nicht begeistert von der Idee, mich zwei Wochen lang alleine wegfahren zu lassen. »Was machst du überhaupt dort, was du nicht auch hier tun kannst?«, fragte er misstrauisch. Trotzdem kaufte ich mir schon am nächsten Morgen eine Fahrkarte nach Freiburg. Meinem Mann erzählte ich, dass ich dort vorübergehend in einem Club als Bardame arbeiten würde. Ob er mir das glaubte, wusste ich freilich nicht.
Ladja brachte mich zum Bahnsteig. Ich versprach, ihn jeden Tag anzurufen, und er schwor, dass er die Wohnung sauber halten und auch sonst keinen Mist bauen würde. Noch ein Kuss in der Kälte, dann fuhr der Zug ab Richtung Westen, ins schöne Freiburg, von dem einige meiner Kommilitonen behauptet hatten, es sei das Paradies: eine Stadt voller Sonne und netter Menschen, die alle mit dem Fahrraddurch ihre heile Welt fuhren und nur Ökostrom benutzten.
Gegen acht Uhr abends kam ich in Freiburg an. Ich stieg aus dem Zug und atmete die frische Luft, die nach Schnee roch und so kalt war, dass meine Augen sich sofort mit Tränen füllten. Mein erster Gedanke war: Du bist hier nicht zu Hause. Am liebsten wäre ich wieder in den nächsten Zug Richtung Berlin gestiegen.
Da aber kam bereits eine große, schlanke Frau um die fünfzig auf mich zu und winkte. Ihre roten Haare waren nach hinten zu einem strengen Knoten gebunden und ihre Lippen zu einem Dauerschmollmund gespitzt. »Hallo Stella, hier, hier«, rief sie. Ich war froh, sie zu sehen.
Lorraine – so ihr Name – hatte dauerhaft schlechte Laune und auch dieser Tag war, wie ich später erfahren sollte, keine Ausnahme.
»Nur Stress mit den Weibern«, wiederholte sie immer wieder, während wir zum Taxistand liefen. Ich schaute amüsiert zu, wie sie auf ihren Pfennigabsätzen über den glatten Bürgersteig rutschte. Erst im Auto schüttelte sie mir die Hand und erkundigte sich nach meiner Reise.
»Sorry wegen der Hektik«, seufzte sie. »Aber du kennst das Gewerbe, du weißt, wie nervig es sein kann.«
Ich nickte und warf einen flüchtigen Blick in ihre Richtung. Während der Fahrt schaute ich nicht mal aus dem Fenster, sondern döste auf dem warmen Ledersitz fast ein. Nach ein paar Blocks bog der Fahrer in eine kleine Seitenstraße ein und wir waren da.
Das Bordell, das einfach »Bei Schmidt« hieß, sah auf den ersten Blick wie die »Oase« aus, nur dass die Zimmer größer waren. Ansonsten herrschte dasselbe Chaos. Es fing damit an, dass niemand wusste, wo ich mein Gepäck abstellen sollte, also ließ ich es einfach erst mal mitten im Flur. Diemeisten Frauen schauten mich nur kurz an, als ich mich in der Küche hinsetzte. Es hatte gerade Sturm geklingelt, gleich drei Männer warteten, so dass für Höflichkeiten keine Zeit blieb.
Tina, eine spindeldürre Rumänin mit roten Haaren, gab in dem Laden den Ton an, obwohl sie gerade mal zwanzig und gar nicht die Chefin war. Sie weilte nie länger als zwei Minuten an derselben Stelle, sondern lief hektisch mit irrem Blick herum und wies die Mädchen an, was sie zu tun hatten. Wir hassten uns vom ersten Augenblick an, doch da ich keine Lust auf Streit hatte, ignorierte ich sie einfach. Tina machte auf Zimmer alle Extras wie Französisch natur (also Vorspiel ohne Gummi), Blasen bis zum Schluss und anal und verdiente, zusammen mit Laura, auf diese Weise das meiste Geld. Ich hingegen lehnte es nach wie vor ab, Gästen ohne Gummi einen zu blasen – das war mir viel zu eklig und auch zu gefährlich.
Laura war das krasse Gegenteil von Tina: rund, gemütlich, bayerisch. Am liebsten las sie Klatschzeitschriften und kommentierte jeden Beitrag darin. Sie fand es wahnsinnig interessant, was Boris Becker oder Dieter Bohlen mit ihren Freundinnen trieben, und wollte auch immer die Meinung der anderen Mädchen wissen. Es überraschte sie sehr, dass ich dazu gar nichts zu sagen hatte, sondern die ganze Zeit Kreuzworträtsel löste oder das Skript einer Mathevorlesung durchblätterte.
Die Männer hier waren nicht netter und nicht ekelhafter als in Berlin, von dem schrecklichen badischen Dialekt mal abgesehen. Aber sie zahlten mehr und so fiel mir der Job wesentlich leichter. Außerdem unterhielten sie sich gerne mit mir über Berlin, auf diese Weise verging die Zeit schneller.
»Du bist aus der
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