Fucking Berlin
charascho – alles ist okay«, flüsterte sie mir ins Ohr. »Ich weiß, wie schwer es ist hier. Manche Weiber haben echt eine Meise, aber der einzige Weg, zu überleben, ist Lachen. Du kannst dir nicht alles ins Herz nehmen, sonst gehst du kaputt.«
Sie sagte wirklich »ins Herz nehmen«, darüber musste ich lächeln, und ich beruhigte mich. Tina, die bekloppte Rumänin, hämmerte schon an die Tür. Als ich aus dem Bad rauskam und unsere Blicke sich trafen, verzerrte sie das Gesicht, sagte aber nichts.
An dem Tag entdeckte ich noch etwas, das es mir ermöglichte, der Realität zu entfliehen: die Puff-Bibliothek. Eigentlich handelte es sich bloß um einen Schrank, in dem normalerweise Bettwäsche verstaut wurde, doch ich entdeckte dort eine Menge Bücher, die anscheinend niemandem gehörten.
»Die Frauen kaufen sie und vergessen, sie mitzunehmen, wenn sie wieder gehen«, erklärte mir Laura, die am längsten im Laden tätig war. Es gab viele Mädchenromane, aber auch Hermann Hesse, eine Biographie von John F. Kennedy understaunlicherweise Henry Miller – als ginge es hier nicht ohnehin die ganze Zeit nur um Sex. Gierig begann ich zu lesen und vergaß darüber für einige Zeit, dass ich in einem Bordell saß. Die Männer, an dem Tag nicht so zahlreich wie sonst, waren nur eine unangenehme Unterbrechung. Doch schon bald hatte ich alles gelesen, was mich interessierte, und der Alltag setzte sich fort. Und es war erst der fünfte Tag.
Johanna, die Vertretung von Lorraine, scherte sich einen Dreck um die Zustände im Puff. Am ersten Tag ihres Aufenthalts sah ich sie gar nicht, am zweiten Tag dann bemerkte ich eine riesige Gestalt, die in der Küche saß und mich finster anstarrte. Ich ging rein und stellte mich vor, doch sie schien mich gar nicht zu hören und fing nur an, langsam mit dem Stuhl zu wippen. Sie trug ein zu enges, blaues Kleid mit weißen Blumen, das gerade bis zum Knie reichte und sie wie eine perverse Putzfrau aussehen ließ. Aus dem Ausschnitt quoll ihr massiger Busen und die zu kurze Bekleidung konnte ihre geschwollenen Beine nicht verbergen. Sie wäre bestimmt attraktiver, wenn sie mehr auf ihr Gewicht achten würde, ging es mir durch den Kopf. Ihr Alter wollte sie nicht verraten, aber ich schätzte sie auf Anfang dreißig. Trotz oder gerade wegen ihrer Leibesfülle hatte sie jede Menge Gäste, die extra wegen ihr kamen und die anderen Frauen gar nicht erst sehen wollten.
Einmal, ich saß gerade mit Natascha in der Küche, hörten wir lautes Geächze und Schreie aus einem Raum am Ende des Flures.
»Ein Gast von Johanna«, kommentierte Natascha gelassen. Ich erwachte für eine Sekunde aus meiner Langeweile. »Sie liegt auf ihm und zerquetscht ihn, bis er keine Luft mehr bekommt. Oder sie springt auf ihm rum. Manche Männer finden so was geiler als Ficken. Frag mich nicht – es gibt viele irre Menschen auf dieser Welt.«
»Und viele davon kommen zu uns«, sagte ich. Nach über einem Jahr im Rotlichtmilieu wunderte ich mich über gar nichts mehr.
»Ich habe eine Überraschung für dich«, sagte mein Kunde mit triumphierendem Lächeln. Er lag nackt auf dem Bett und fasste sich gerade an den Schwanz. Er hatte für eine Stunde bezahlt und gehörte damit zu den Gästen, die normalerweise die angenehmsten waren. Man musste sich genauso anstrengen wie für einen Quickie, bekam aber das Dreifache des Geldes, und kein Mann war in der Lage, eine Stunde lang ununterbrochen zu poppen. Johnny, so hieß der gute Mann, schwitzte aber nun schon seit fünfzig Minuten auf mir rum und kam einfach nicht. Er selber nannte sich »den geilsten Schwanz von Freiburg«, was meiner Meinung nach unbegründet war. Besonders groß war eigentlich nur sein Ego, und dass, obwohl er wie ein hässlicher, haariger Zwerg aussah. Unzählige Stellungswechsel, Strümpfe anziehen und selbst Rollenspiele – wie zum Beispiel »Lehrer und Schülerin« – halfen bei ihm nicht weiter und ich schaute sehnsüchtig auf die Zeiger meiner Armbanduhr, denn ich hatte noch zehn qualvolle Minuten vor mir. Als er nun plötzlich die Sache mit dem Geschenk erwähnte, rätselte ich, was er wohl damit meinen könnte, bis er vor meiner Nase mit einem Tütchen weißem Pulver herumwedelte.
»Spezieller Preis – für dich nur dreißig Euro. Den mache ich für alle Mädels hier, deswegen mögen sie Onkel Johnny alle so gern«, stöhnte er, während er immer noch sein Geschlechtsteil in der Hand hielt.
»Ich mag so was nicht.« Ich setzte mich auf
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