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Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Rossi
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Sie war die Einzige, auf die alle Frauen hörten, weil sie coole Sprüche draufhatte und einen bissigen Humor. Doch auch sie konnte nichts an der Tatsache ändern, dass wir nur noch halb so viel verdienten wie früher, als jedes Mädchen mindestens hundertfünfzig Euro am Ende einer Schicht sicher hatte.
    In meinem Portemonnaie befanden sich selten mehr als zehn Euro und wieder häuften sich die Mahnungen. Ladja und ich konnten uns nichts leisten, was über das Notwendigste hinausging, und stritten miteinander, wenn die Kohle fehlte, um am Samstagabend wegzugehen.
    Die Uni besuchte ich kaum noch, weil ich inzwischen fast jeden Tag in der »Oase« war, um wenigstens die Miete zahlen zu können und den Kühlschrank vollzukriegen. Wenn ich gelegentlich zu den Vorlesungen auftauchte, kassierte ich schiefe Blicke von meinen fleißigen Kommilitonen, diestets anwesend waren. Sie hielten mich wahrscheinlich für eine besonders faule Studentin, die lieber Party machte, als sich ihren Büchern zu widmen. In den Zeitungen diskutierten sie in diesem Winter wieder über Studiengebühren und ich stellte mir vor, wie ich in den Berliner Puffs demnächst noch mehr interessante Gespräche mit angehenden Akademikerinnen würde führen können. Fürs Geschäft wäre ein höherer studentischer Anteil unter den Huren sogar gut. Ich hatte festgestellt, dass vor allem Journalisten oder Unidozenten es sehr schätzten, sich mit mir über alles Mögliche unterhalten zu können. Ich denke, sie fanden einfach die Vorstellung geil, dass die Frau, mit der sie das taten, was ihnen im wahren Leben nicht gelang, nicht drei Stufen unter ihnen stand, sondern eine von ihnen hätte sein können, jemand, den man mit etwas Glück auch auf der Weihnachtsfeier eines Krankenhauses oder einer Tageszeitung hätte abschleppen können.
    Meine Hausaufgaben machte ich in der »Oase«, Zeit gab es ja genug. Ich tat, als ob alles in Ordnung sei, selbst Jule erzählte ich nichts von meinen finanziellen Problemen, da mir das Ganze äußerst peinlich war. Arbeitet als Nutte, kann aber nicht davon leben – das klang wirklich nicht gut. Irgendwo anders in Berlin zu arbeiten erschien mir fast wie Verrat. Ich mochte unsere Clique aus der »Oase« zu sehr, außerdem wusste ich aus Erzählungen, dass es in anderen Läden nicht besser lief. Allerdings hatte ich von mehreren Mädels gehört, die auswärts auf Termin gegangen waren und damit einen Haufen Kohle verdient hatten. »Auf Termin gehen« hieß, für eine oder zwei Wochen ganztägig in einem Puff in einer anderen Stadt zu arbeiten und dort währenddessen auch zu wohnen. Zwar wollte ich nicht weg aus meiner Stadt, aber angesichts der wachsenden Misere schien mir das mittlerweile die einzige Alternative zu sein. Besondersin Süddeutschland und in der Schweiz waren die Preise längst nicht so kaputt wie in Berlin. 5
    Eines Freitags saß ich in der »Oase« und blätterte gelangweilt die Zeitung durch, als mir die Idee kam, die Seite mit den Anzeigen aus dem Rotlichtmilieu mal wieder näher zu inspizieren. Dort entdeckte ich eine Annonce, die meine Neugierde weckte:
    »Süddeutschland – flexible Frau für Club gesucht. 2000  Euro Wochenverdienst.«
    Ich malte mir aus, was ich von dem Geld alles kaufen könnte. Einen Laptop und ein neues Handy mit Farbdisplay würde ich mir holen, mit Ladja in Urlaub fahren, weg von dem grauen deutschen Frühling, endlich wieder im Restaurant essen und nach der Disko mit dem Taxi nach Hause fahren, anstatt bibbernd auf die Bahn warten zu müssen …
    »Stella, für dich!«, brüllte Mandy vom Ende des Flures.
    Ich war den Tränen nah, als ich ins Zimmer ging. Dort erwartete mich wieder mal nur ein Wichser, der mich für dreißig Euro angrabschen und knutschen wollte. Allein dasständige Wegstoßen der schleimigen Hände war ekelhaft genug, aber richtig schlimm war, dass mir von den dreißig Euro nur zwanzig blieben. Ich fühlte mich einfach schäbig, weil ich mich für so wenig Geld verkaufte. Als die Massage vorbei war, hatte ich mich entschieden: Selbst wenn ich am Nordpol arbeiten müsste – Hauptsache raus aus diesem Elend.
    Ich wählte die Telefonnummer aus der Anzeige. Eine junge, weibliche Stimme meldete sich mit »Hallo«. Sie schien gelangweilt, aber nachdem ich ihr erklärt hatte, wer ich war und was ich machte, wurde sie aufmerksamer und quatschte minutenlang über die Arbeitsbedingungen in ihrem Club und die Frauen, die dort arbeiteten. Mich interessierte all das

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