Fucking Berlin
zwei wichtige Klausuren. Danach gönnte ich mir an der Uni eine zweiwöchige Pause.
Den Abend vor meinem Geburtstag verbrachte ich mit Milan in Marios Liebesnest. Eine bessere Gesellschaft hätte ich mir nicht vorstellen können. Sein Lachen, sein Geruch und seine Stimme waren alles, was ich zu meinem Glück brauchte.
Am nächsten Morgen schmissen Ladja, Tomas und Jule eine kleine Party für mich. Wir aßen Schokoladenkuchen und tranken Sekt zum Frühstück, danach spazierten wir zum Weihnachtsmarkt. Die Bäume auf der Straße Unter den Linden leuchteten im Adventsglanz.
Abends fuhr ich mit Ladja ins »California«, wo wir Milan mit seiner Frau trafen. Ich hatte sie mehrmals aus der Ferne gesehen, doch zum ersten Mal stand sie jetzt direkt vor mir. Sie hatte kurze, blonde Haare, ein schmales Gesicht und war etwas rundlich, aber nicht dick. Sie trug eine braune Strickjacke, eine weite Sporthose und flache Schuhe. Insgesamt sah sie hübsch aus. Ich trug ein kurzes, schwarzes Kleid mit Glitzern, eine Netzstrumpfhose und eine Federboa um den Hals und kam mir plötzlich zu nackt und etwas billig vor.
Mein erster Gedanke war, schnell abzuhauen. Das letzte, was ich wollte, war, die Nacht zusammen mit der Gattin meines Lovers zu verbringen. Doch ich hätte Ladja so einenhastigen Abmarsch kaum erklären können. So stellte ich mich bei Natalie höflich als Ladjas Frau vor und wir fingen tatsächlich an, miteinander zu quatschen. Natalie war gemütlich und freundlich und ich fühlte mich sogar ein bisschen schuldig, als sie von ihrer Familie erzählte. Ich redete von den USA , meinem Studium und einer Stelle an der Uni, die ich gar nicht hatte. Mittlerweile hatte ich hinsichtlich meiner Nebenjobs schon so oft gelogen, dass ich langsam anfing, selbst an meine eigenen Märchen zu glauben.
»Wir müssen unbedingt auf deinen Geburtstag anstoßen!«, sagte Natalie. Wir bestellten eine Flasche Sekt.
»Unbedingt in die Augen schauen, sonst bringt das Unglück«, mahnte ich Milan, als der Kellner vier Sektgläser füllte.
»Und sich etwas wünschen, aber nicht sagen«, ergänzte Ladja.
Als wir mit unseren Gläsern anstießen, schaute ich Milan an, schloss die Augen und sprach in Gedanken meinen Wunsch aus.
8
UNTERWEGS –
VON UNTEN NACH OBEN
UND WIEDER GANZ RUNTER
In der »Oase« lief es im neuen Jahr beschissen. Die wenigen Gäste, die noch kamen, wollten meistens nur eine klassische Massage mit Handjob für zwanzig Minuten und verschwanden danach schnell wieder. Das Telefon klingelte kaum noch, selbst die »Jubi-Party«, die wie jedes Jahr Anfang Februar stattfand, um den Geburtstag des Ladens zu feiern, war ein Fiasko. Die Stammkunden ließen sich nicht blicken, mit Ausnahme von Wolfgang, der sogar im Anzug kam und einen riesigen Blumenstrauß für mich mitbrachte. Das teure Buffet blieb fast unberührt, wir Mädels waren alle sauer und frustriert, machten früher Schluss und gingen anschließend in die Disko.
Nach zwei Monaten Flaute hatten wir jeden möglichen Grund für den Niedergang unseres kleinen Unternehmens in Betracht gezogen, ohne wirklich einen zu finden, der das Ausbleiben der Männer erklärte. Arbeitslosigkeit; die Leute haben kein Geld mehr; die Männer haben keine Lust auf Sex mehr; wir geben uns nicht ausreichend Mühe; es gibt zu viele Bordelle mit Dumpingpreisen in der Nähe – alles Spekulation. Die wahre Ursache blieb uns verborgen. Wir waren so hoffnungslos, dass schon niemand mehr die Tür aufmachen wollte, wenn es läutete. An den wenigen verbliebenen Kunden ließ sich sowieso nicht genug verdienen.
»Ich hatte vorgestern einen Spinner, der wollte, dass ich ihm im Flur einen runterhole – für zehn Euro. Neuerdings kommen fast nur solche Leute«, seufzte Isa.
»Oder irgendwelche paranoiden Idioten, die nicht wissen, was sie wollen, und sowieso vorher abhauen«, sagte Mandy. So was gab es tatsächlich: Manche Männer ließen sich alle Frauen vorstellen und gingen dann mit einer Begründung wie »Es ist keine Dame für mich dabei«.
»Oder Alex, der nur kommt, um uns seine überteuerten Klamotten aus Polen anzudrehen«, meinte ich.
Die schwangere Anja, die unter Übelkeit und Hormonschwankungen litt, kam nur noch manchmal in die »Oase« und beschwerte sich dann über unseren Mangel an Ordnung.
»Kein Wunder, dass die Männer nicht mehr kommen«, keifte sie. »Hier sieht’s aus wie im Schweinestall.«
Lena nickte nur abwesend. Seit Anja nicht mehr ständig hier war, war sie die Chefin.
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