Fucking Berlin
nie, wie es enden wird.«
Hinterher schämte ich mich für diese billige Weisheit, die man eher in einem chinesischen Glückskeks als bei einer Studentin vermuten würde. Harry schien aber damit zufrieden, bezahlte die Rechnung und fuhr mich bis vor meine Haustür.
Was mich und Milan anging, hatte sich Isa ausnahmsweise geirrt. Die Bäume waren schon kahl und die frostigen Nächte keine Seltenheit mehr, und wir trafen uns immer noch. Ich hatte inzwischen akzeptiert, dass er seine Frau nicht verlassen würde – mir war es lieber, einen Teil von ihm zu haben als gar nichts. Und ich habe den bestenTeil, wiederholte ich mir immer. Natalie darf seine schmutzigen Socken waschen und sich anhören, wenn er Stress in der Arbeit hat. Wenn wir zusammen sind, ist er hingegen frisch rasiert, gut gelaunt und hat immer Lust auf Sex.
In der »Oase« brachte der Winter gewaltige Neuigkeiten. »Anja ist schwanger!«, brüllte Mandy, als ich eines Tages hereinkam, und sprang hektisch herum. Alle Mädchen quasselten darüber, nur Anja selber saß auf dem Sofa, aß Kartoffelpuffer mit Apfelmus und schwieg nachdenklich. »Ich kann mich noch gar nicht so recht freuen. Ich stehe geradezu noch unter Schock«, gestand sie nach einer Weile.
In den folgenden Wochen drehten sich unsere Plaudereien nur noch darum, wie man Babybrei kocht, richtig stillt und um das Pro und Kontra von Schnullern. Unser Stammgast Panda war einigermaßen überrascht, als er uns einmal dabei überraschte, wie wir im Aufenthaltsraum Strampelanzüge aussortierten, die Celinas Kinder gehört hatten.
»Ich dachte, ich bin hier im Bordell und nicht in der Krippe«, scherzte er. Dann setzte er sich auf die Couch und kramte Gummibärchen und Kekse aus einer Aldi-Tüte hervor.
Da Anja ab jetzt nicht mehr so oft im Laden sitzen wollte, musste eine Vertretung her. So kam Lena in die »Oase«. Unser erstes Zusammentreffen vollzog sich unter kuriosen Umständen. Ein betrunkener junger Mann hatte eine Doppelmassage mit mir und Vera gebucht und fing sofort an, Ärger zu machen. Er grölte herum, wollte sich gar nicht massieren lassen, sondern vor allem uns angrabschen, und fing an, uns zu beleidigen, als wir uns dagegen wehrten.
»Seid ihr Nutten oder nicht? Ich habe euch bezahlt! Was ist das denn für ein Kack-Service?«, brüllte er.
»Es reicht jetzt. Wir gehen raus, dann kannst du es dirselber machen«, sagte ich kühl und verließ mit Vera das Zimmer.
Im Aufenthaltsraum stand Lena, die neue Barfrau aus Tschechien, und feilte sich gerade die schwarzlackierten Nägel. Sie war einen Kopf größer als ich und hatte lange, blonde Haare, die ihr bis zum Po reichten. Sie war mit schwarzem Lidschatten und schwarzem Lippenstift geschminkt und trug schwarze, lange Kniestiefel, eine schwarze Jeans und ein schwarzes, enges T-Shirt, das ihre schlanke Figur betonte. Obwohl wir zwei grundverschieden waren, mochten wir uns von Anfang an. Sie lachte sich halbtot, als wir ihr von dem Problem mit dem Kunden erzählten.
»Ich mach das schon, keine Bange«, sagte sie und verschwand Richtung Zimmer.
Gleich darauf hörten wir Lärm im Flur. »Mach, dass du verschwindest, Pissvogel, oder ich schneide dir die Eier ab!«, schrie Lena.
Der Typ, etwa einen Meter neunzig groß und mindestens hundert Kilo schwer, schlich langsam und mit hängendem Kopf zur Ausgangstür und schloss sie leise hinter sich.
»Die hat es drauf«, kommentierte Vera.
Wenig später saß Lena auf der Couch und sortierte Anjas CD s aus der Musiksammlung. »Was zieht ihr euch denn für einen Scheiß rein? Wir brauchen gescheite Musik in dieser Bude!«, rief sie angewidert. Von da an ertönten in der »Oase« immer Technolieder.
In der Uni fand gerade eine Streikmaßnahme statt: Die Studenten besetzten die Gebäude, um gegen die Sparpolitik des Berliner Senats zu protestieren. Einige meiner Kommilitonen verteilten eifrig Flugblätter in der Mensa und forderten mich dazu auf, bei einer Demo mitzumachen. Ich fand ihr Engagement richtig und wichtig, allerdings war ich mir nicht so sicher, ob ihre Aktion wirklich etwas bringenwürde. Selten genug hörten die Politiker auf ein paar aufmüpfige Studenten, zumal der ganze Aufstand ja keinen nennenswerten wirtschaftlichen Schaden verursachte.
Kurz vor Weihnachten feierte ich meinen einundzwanzigsten Geburtstag. Seit etwa einem Jahr arbeitete ich nun schon im Rotlichtmilieu, doch darüber wollte ich nicht nachdenken. Trotz des Streiksemesters schrieb ich noch vor Weihnachten
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