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Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Rossi
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Fahrt nach Berlin eine Zigarettenpause an einer Raststätte machten, ging ich aufs Klo. Der Schwangerschaftstest bestand, wie immer, aus einem weißen Stab nebst zwanzig Seiten Bedienungsanleitung in jeder Sprache der Welt. Draufpinkeln, zwei Minuten warten – ein blauer Strich auf dem Stab hieß negativ, Entwarnung, auch diesmal hast du Schwein gehabt; zwei Striche hießen positiv, bingo, du hast es geschafft, dein Leben wird nie mehr so sein wie früher.
    Während ich das Ergebnis abwartete, starrte ich in die Luft und zog hastig an einer Zigarette. Zum Glück war ich allein auf der Toilette. Es erschien mir wie eine Ewigkeit, doch dann waren die zwei Minuten endlich um. Zwei Striche! Ich war wieder schwanger …

10
OH WUNDER
    Als ich in Berlin vor meiner Haustür stand, war ich euphorisch und müde zugleich. Am liebsten hätte ich Ladja sofort erzählt, dass er Vater werden würde, aber als ich ankam, lag er schlafend vor dem Fernseher. So erfuhr er erst am nächsten Morgen davon. »Ich muss zum Arzt«, sagte ich ihm, und nach einer Pause: »Ich denke, ich bin schwanger.«
    Er machte einen auf cool und zeigte keine Regung, doch ich merkte, dass seine Hand ein wenig zitterte, als er den Kaffee in die Tasse goss. »Dann geh mal schnell«, war alles, was er sagte. So gut, wie ich ihn mittlerweile kannte, spürte ich die Angst und die Freude, die sich hinter der lapidaren Reaktion versteckten.
    Der Frauenarzt hatte seine Praxis keine zweihundert Meter von unserer Wohnung entfernt, doch auf dem Weg dorthin nahm ich kaum irgendetwas um mich herum wahr. Ich merkte nicht mal, dass es angefangen hatte zu schneien, nur, dass mein Pullover nass und weiß war, als ich in der Praxis ankam.
    »Ich habe gestern einen Schwangerschaftstest gemacht und er war positiv«, platzte ich schon am Empfang heraus.
    »Dann setzen Sie sich einfach in den Warteraum«, sagte die Assistentin ungerührt. Sie schien meine Aufregung nicht zu verstehen, aber es war ja auch nicht ihr Bauch, in dem möglicherweise gerade ein neues Leben begann. »Es dauertsicher ein bis zwei Stunden, bis Sie dran sind«, fuhr sie fort. Mir war das ziemlich egal.
    Im Wartezimmer saß noch eine Schwangere. Sie war Mitte dreißig und flüsterte ihrem Partner dauernd etwas ins Ohr, während er zärtlich ihren Bauch streichelte. Nebenan kicherten zwei Mädchen um die achtzehn, beide mit Pullis, die nicht mal zum Bauchnabel reichten, rotem Lippenstift und grausamen, rosa Plüschstiefeln.
    Ich betrachtete die Infobroschüren: Pille: ja oder nein? , Fit durch die Wechseljahre , Blasenschwäche: Was tun? und so weiter. Das Ganze war etwas deprimierend. Ich hatte Krankenhäuser und Arztpraxen nie gemocht, sie erinnerten einen daran, wie schwach und verwundbar unser Körper war, und seit dem Erlebnis in der Schweiz verabscheute ich diese Orte noch mehr.
    »Mal sehen«, sagte der Arzt in ruhigem Ton, als ich endlich dran war. Es war nicht das erste Mal, dass ich bei ihm war, und ich mochte seine Art. Er war groß, hatte kräftige Hände und rote Pausbacken und erinnerte mich mehr an einen Bäcker als an einen Gynäkologen.
    »Ah, da haben wir es«, fuhr er fort und zeigte auf das Display des Ultraschallgeräts.
    Ich bemühte mich, irgendwas zu erkennen, doch ich sah nur jede Menge weißer und grauer Punkte, die kein Bild ergaben.
    »Dort«, zeigte er mit dem Finger, »der kleine, weiße Fleck, sehen Sie? Ein Millimeter Länge – sechste Schwangerschaftswoche.«
    Ich war sprachlos und konnte meinen Blick nicht vom Monitor nehmen. Zugegeben, die erste Begegnung mit dem eigenen Kind stellt man sich ein wenig anders vor, in dem Punktehaufen war noch keine menschliche Form zu erkennen. Und doch war es für mich mein Baby.
    Wieder tauchten die Erinnerungen an die Klinik in Zürich auf, doch diesmal, zum ersten Mal, waren es nur noch Geister der Vergangenheit. Das Schicksal hatte mir eine neue Chance gegeben und ich fühlte mich einfach glücklich. Ich würde mein Kind bekommen, es lieben und groß werden sehen, so viel stand fest, und alles andere war mir im Moment egal. Dass ich mein Studium noch nicht beendet und kein Geld hatte, störte mich diesmal kein bisschen. Ich habe es bisher immer irgendwie geschafft, sagte ich mir. Das Ganze war gegen jede Vernunft und jede Lebensplanung, die ich vorher gehabt hatte, auch gegen alles, was mir meine Eltern versucht hatten einzuimpfen. Vorbilder hatte ich auch nicht: Nur wenige Frauen studierten Mathematik und keine von denen, die ich

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