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Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Rossi
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kannte, hatte Kinder. Ich kam mir in diesem Moment plötzlich viel älter und reifer vor. Das Schicksal hatte angeklopft und ich fühlte mich stark genug, es anzunehmen. So wurde man erwachsen, oder?
    Auf dem Weg nach Hause fielen mir ein paar Schulkinder auf, die sich mit Schneebällen bewarfen. Ich stellte mir vor, an einem schönen Wintertag mit meinem kleinen Jungen rodeln zu gehen, ihm die Welt in einfachen Worten zu erklären und auf dem Weg nach Hause für uns beide heiße Schokolade zu kaufen. Allein diese Gedanken waren ergreifend und völlig anders als alles, wovon ich bislang geträumt hatte.
    Ladja saß auf der Couch und schaute die Nachrichten im Fernsehen: Wintereinbruch in Deutschland, Verkehrsunfälle, eine Geiselnahme im Irak.
    »Ich bin schwanger – definitiv«, rief ich, noch bevor ich die Jacke ausgezogen hatte.
    Er sagte eine Weile nichts. »Ich glaube, ich muss darüber schlafen«, murmelte er schließlich und verzog sich ins Schlafzimmer. Ich nahm es ihm nicht übel, da ich ohnehin lieber allein sein wollte.
    Arbeiten zu gehen kam für mich heute nicht in Frage und so rief ich in der »Oase« an und meldete mich krank. »Eine schlimme Grippe«, röchelte ich. »Ich glaube, ich werde die ganze Woche im Bett liegen.«
    Der Gedanke, mit fremden Männern ins Bett zu gehen, schien mir plötzlich richtig ekelhaft. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich das Rammeln der Freier über mich ergehen lassen und meinen Körper dabei als Lust- und Geldquelle betrachtet. Doch jetzt war er mit einem Mal das Haus eines kleinen, ungeschützten Wesens und ich hatte Angst, dass ihm etwas passieren könnte.
    In den folgenden Tagen nahm eine tiefe Antriebslosigkeit von mir Besitz. Ich ging nicht in die Uni, aß den ganzen Tag Cornflakes mit Milch, schaute alte Filme wie »Der Pate« und »Dirty Dancing« an und versank immer wieder in Gedanken. Werden Ladja und ich zusammenbleiben? Werden wir gute Eltern sein? Werde ich mein Studium, meine Jobs als Hure, meinen späteren Beruf und das Kind unter einen Hut kriegen? Was sollte mit mir und Milan werden?
    Nach einer Woche beschloss ich, vorerst nicht mehr in die »Oase« zu gehen. Trotz Torstens Vorhersagen war die Vorweihnachtszeit, normalerweise die beste Zeit des Jahres, total mies gelaufen. Man war schon froh, wenn man hundert Euro am Tag zusammenbekam.
    Ich rief an, aber es hob niemand ab, obwohl es vierzehn Uhr war. Nach mehreren Versuchen gab ich auf und überlegte, dass vielleicht eine Grippewelle den Laden lahmgelegt hatte. Am späten Abend bekam ich jedoch eine SMS von Jana: »Die ›Oase‹ ist für immer zu«, stand da.
    »Machst du Witze?«, fragte ich sie am Telefon.
    »Nein. Torsten hat mir gestern deswegen eine Nachricht geschickt. Er meinte einfach, dass es sich nicht mehr lohnenwürde, die Kosten seien zu hoch und die Umsätze zu niedrig. Im letzten halben Jahr habe er eine Menge Kohle verloren.«
    Die Schließung der »Oase« beschäftigte mich den ganzen Tag. Der Laden war für uns alle nicht nur ein Arbeitsplatz gewesen, sondern ein Ort, an dem man irgendwie auch gerne war, weil immer jemand da war, mit dem man quatschen konnte. Immerhin machte mir diese Entwicklung die Entscheidung, vorerst mit dem Anschaffen aufzuhören, noch leichter.
    In der Uni gratulierten mir meine Kommilitonen zu meiner Schwangerschaft. Für die meisten von ihnen war es undenkbar, zu so einem frühen Zeitpunkt im Leben Kinder zu bekommen. Bei ihnen hatten das Studium, Praktika oder Reisen während der Semesterferien erst mal Priorität.
    »Mensch, ein Kind zu haben ist sicher was Schönes, aber wie willst du das machen mit dem Studium? Einfach ist das sicher nicht«, meinte Paul, ein junger Mann, mit dem ich mich öfters zum gemeinsamen Lernen getroffen hatte. Er hatte an der Uni einen Job als Tutor und schrieb gerade seine Diplomarbeit in Kooperation mit einer niederländischen Universität.
    »Irgendwie werde ich es schon schaffen. Mein Mann wird mir mit dem Baby helfen«, antwortete ich nachdenklich.
    Noch am selben Tag meldete ich mich beim Prüfungsamt für zwei schwere Prüfungen an. »Jetzt, wo du Mutter wirst, ist es noch wichtiger, dass du dein Studium so schnell wie möglich fertig machst«, sagte ich mir.
    Es gab jedoch ein paar praktische Probleme, die unbedingt gelöst werden mussten. Es fing schon mit unserer Bude an: kaputte Steckdosen, undichte Fenster, Schimmel im Bad und in der Küche, die alten Tapeten fielen fast vonden Wänden. Außerdem wohnten wir in Moabit,

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