Fucking Berlin
ansprach.
Auf dem Weg ins Bad traf ich eine Ungarin, die verstört und ängstlich wirkte. Ich fragte sie nach dem Tumult von gestern Nacht, doch sie wollte gar nicht über das Geschehene reden. »Vergiss es«, war ihr einziger, unfreundlicher Kommentar, bei dem sie mir nicht mal in die Augen blickte.
Als ich mir später in der Küche ein Brot schmierte, kam Tracy, der rumänische Transsexuelle, und setzte sich neben mich. Er beobachtete mich eine Weile, ohne etwas zu sagen, dann stand er auf, ging ans Fenster und redete ungefragt über die Ereignisse der Nacht. Sein Deutsch erwies sich als viel besser als noch am Abend zuvor.
Wie sich herausstellte, hatten zwei besoffene Araber gegen zwei Uhr geklingelt und sich zwei Mädels herausgesucht, jeweils für eine halbe Stunde. Einer war allerdings so betrunken, dass er keinen hochbekam. Als das Mädchen ihn darauf aufmerksam machte, dass die Zeit um war, rasteteer aus: Alles sei ihre Schuld, der Service wäre schlecht gewesen, und er verlange noch mal eine halbe Stunde kostenlos. Sie weigerte sich natürlich, und als sie aus dem Zimmer gehen wollte, schmiss er sie gegen die Wand und würgte sie. Sie konnte sich in letzter Sekunde befreien und flüchtete schreiend in den Flur, wo der Besoffene anfing, alles umzuschmeißen und zu zerstören, was sich in seinem Weg befand. Sein Kumpel versuchte vergebens, ihn zu beruhigen, und die Mädchen rannten nur noch hysterisch herum und schrien wie am Spieß. Der Typ zog schließlich seine Knarre raus und schoss in die Luft, was für zusätzliche Panik sorgte. Bald versammelte sich das ganze Laufhaus vor der Tür, auch Lars kam und kriegte beim Versuch, den Streit zu schlichten, seinerseits eins auf die Nase. Schließlich kam jemand auf die Idee, die Bullen anzurufen, woraufhin die beiden sich rasch vom Acker machten und eine verwüstete Wohnung hinterließen.
»Ich habe mich sowieso gewundert, dass es hier keine Security gibt. Und unten die Tür ist die ganze Zeit offen, so dass jeder reinkommen kann«, meinte Lena. Sie hatte jahrelang im Rotlichtmilieu gearbeitet, meistens als Barfrau in Clubs, und versicherte mir, in Berlin würde niemand ein Nachtgeschäft aufmachen, ohne die nötige Sicherheit zu gewährleisten.
»Was machen wir hier eigentlich?«, fragte ich, während Lena und ich allein in der Küche ein Brathähnchen mit Pommes zum Frühstück verspeisten.
»Ich will nur noch nach Hause«, sagte Lena.
Wir warteten, bis die Ungarinnen beschäftigt waren, dann nahmen wir unsere Taschen und liefen unauffällig die Treppe hinab. Als wir weit genug vom Laufhaus entfernt waren, konnte ich endlich aufatmen. Obwohl es ein kalter Novembertag war, lief mir Schweiß den Rücken hinunter.
Lena, bei der ganzen Aktion cool wie immer, zündete sich eine Kippe an und lachte. »An diesen Trip werde ich mich noch lange erinnern«, sagte sie.
In der Mitfahrzentrale gab es erst am Abend zwei gemeinsame Plätze nach Berlin. Das Auto, das schon in einer Stunde abfahren sollte, hatte nur einen Platz frei.
»Fahr du, du hast Kinder, die auf dich warten«, bot ich Lena an.
»Sicher?«
»Ich wollte sowieso noch durch München bummeln«, sagte ich.
Tatsächlich stieg ich in einen der Touristenbusse am Hauptbahnhof und schaute mir die Sehenswürdigkeiten an: den Marienplatz, die Maximilianstraße, den Viktualienmarkt, die Frauenkirche. In einem bayerischen Restaurant aß ich krustigen Schweinebraten mit Semmelknödeln. Nachdem ich bezahlt hatte, telefonierte ich mit Ladja und teilte ihm mit, dass ich erst nach Mitternacht zu Hause sein würde.
»Schade«, sagte er, seine Stimme klang traurig. »Ich wollte mit dir zu einer Geburtstagsparty im Kiez gehen.«
»Ein anderes Mal«, murmelte ich.
»Noch was«, sagte Ladja leise.
»Was denn?«
»Hast du deine Regel bekommen?«
»Nein.«
Kurz vor meiner Abreise hatte ich mich morgens zweimal übergeben und ihm davon erzählt. Seitdem hatte ich keinen Gedanken an meine Monatsblutung verschwendet, zu viel war in den letzten Tagen passiert. Doch nun fiel es mir wieder ein: Ich war seit zwölf Tagen überfällig.
»Kauf dir einen Schwangerschaftstest«, bat er mich am Ende des Gesprächs.
Ich hatte vor der Abfahrt noch eine Stunde Zeit, schlenderte gemütlich zur nächsten Apotheke und ließ mir einen Test geben. Ich zwang mich, nicht daran zu denken, wie er ausgehen könnte – zu stark waren die schrecklichen Erinnerungen an die Erlebnisse in der Schweiz ein Jahr zuvor.
Als wir während der
Weitere Kostenlose Bücher