Fucking Berlin
einem der heruntergekommensten Viertel Berlins. Kaum hatte man das Haus verlassen, wurde man von Jugendlichen, Besoffenen oder Dealern angepöbelt. Telefonzellen und Wartehäuschen an den Bushaltestellen wurden regelmäßig demoliert, überall roch es nach Pisse und Hundehaufen und nicht selten gab es Randale zwischen Jugendgangs.
Bisher war mir meine Wohnlage egal gewesen, da ich ohnehin kaum zu Hause war, doch für mein Kind wollte ich etwas Besseres. Ladja war derselben Meinung und nach vielen Anrufen und Besichtigungsterminen wurden wir tatsächlich fündig: eine Drei-Zimmer-Wohnung im nördlichen Prenzlauer Berg, die Anfang des kommenden Monats frei werden sollte, bei bezahlbarer Miete. In der Nähe gab es einen großen Park, alte Eichen säumten die Wege. Ladja entdeckte sogar einen kleinen Igel unter einem Gebüsch.
Es gab nur ein Problem: Uns fehlten tausend Euro für die Mietkaution. In der alten Wohnung hatten wir nämlich gar keine Kaution hinterlegen müssen.
»Wir müssen zum Arbeitsamt gehen«, schlug Ladja vor. »Ich habe jetzt eine schwangere Frau zu ernähren, sie müssen uns diesmal helfen.«
»Die Kaution werden sie aber nicht übernehmen«, antwortete ich halbherzig und dachte nach. Selbst wenn ich noch ein paar Wochen in irgendeinem Laden in Berlin anschaffen würde, diese Summe könnte ich nie verdienen. Ziemlich ratlos fuhr ich nach Hause.
Kurze Zeit später klingelte mein Handy: Es war Mimi aus der »Oase«, die sich mit mir über die Neuigkeiten unterhalten wollte. Nachdem sie mir zu meiner Schwangerschaft gratuliert hatte, fragte sie mich, ob ich nicht Lust hätte, nach Bayern zu fahren. Ein Laden, in dem sie gearbeitet hatte, suchte eine Wirtschafterin, die für vierzehn Tage einspringen sollte.»Du kümmerst dich um das Telefon und um die Abrechnungen und kriegst dafür hundert Euro am Tag. Ich hätte es gern gemacht, aber ich bin zur Zeit in einer ABM vom Job-Center. Auf Zimmer kannst du auch gehen, wenn du willst – dein Bauch ist ja noch nicht so dick, dass man etwas merken würde.«
Ich hatte wirklich keine Lust, noch einmal wegzufahren, besonders jetzt, wo ich ein Kind erwartete. Auf der anderen Seite rechnete ich doch nach, wie viel ich in diesen zwei Wochen als Wirtschafterin verdienen konnte.
»Tausendvierhundert Euro. Damit können wir die Kaution zahlen und es bleibt sogar was übrig für die Erstausstattung«, erklärte ich Ladja beim Abendessen. Er war natürlich dagegen, dass ich in meinem Zustand nach Bayern fuhr. »Wir sollten einfach zum Sozi gehen, dein blöder Stolz nutzt uns diesmal nicht«, meckerte er.
Seinen Segen gab mir Ladja erst ein paar Tage später, als wir einen Anruf von der Hausverwaltung bekamen: Wir könnten die Wohnung haben. Als ich diese Worte hörte, sprang ich hoch und umarmte Ladja. Er kaufte eine Flasche Sekt und wir stießen auf unser neues Domizil an. Ich trank nur symbolisch einen Schluck – seit ich wusste, dass ich schwanger war, hatte ich dem Alkohol abgeschworen. Nun gab es allerdings keine Zweifel mehr, dass ich nach Bayern fahren musste, denn wir brauchten die Kohle dringend und auf das Amt war kein Verlass, zumindest musste man bekanntlich mindestens einen Monat warten, bis man von dort etwas überwiesen bekam.
Bislang hatte Ladja die meiste Zeit so getan, als würde er nichts davon mitbekommen, dass ich unser Geld vor allem damit verdiente, indem ich mit anderen Männern schlief. Im Grunde genommen wusste er aber Bescheid und verdrängte die Tatsache, dass seine Ehefrau anschaffen ging.
Nun aber, da ich schwanger war, wollte er ausdrücklich wissen, ob ich dies auch in Rosenheim tun würde.
Ich versicherte Ladja, dass ich dort auf keinen Fall ficken würde. Diesmal stimmte es wirklich – ich sollte in dem Puff ja nur als Wirtschafterin arbeiten.
Am selben Tag noch telefonierte ich mit der Chefin des Ladens, einer hysterischen Ziege, die mich an Lorraine aus Freiburg erinnerte. Sie beschwerte sich schon am Telefon die ganze Zeit nur über die unmöglichen Frauen, die die Gäste vergraulten und nichts auf die Reihe bekamen, und lästerte über alle möglichen Leute, obwohl wir uns noch gar nicht kannten. Anscheinend haben viele Bordellbesitzerinnen einen Schuss weg, dachte ich. Ich musste ihr versprechen, so schnell wie möglich nach Rosenheim zu kommen.
Der Abschied von Berlin war mittlerweile Routine. Zwei Tage später saß ich entspannt in einem Zug Richtung Süden, trank Milchkaffee und hörte Musik auf meinem MP 3
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