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Fünf alte Damen

Fünf alte Damen

Titel: Fünf alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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zur Garage.
    Trotz der Warnung im Horoskop fuhr ich
ziemlich schnell um die Ecken und über die Kreuzungen. Es war nicht viel
Verkehr um diese Zeit. Die ersten Ausflügler machten sich auf, in Hemdsärmeln
und mit Sonnenbrillen und mit den Federballschlägern im Gepäck. Wenn der
Wetterbericht so recht hatte wie mein Horoskop, würden sie Pech haben.
    Nach einigen Umwegen und Fragen fand
ich die Wendelstraße. Es war eine friedliche Gegend, in der die Leute sich
langsam bewegten und wohin nur eine Buslinie führte, der Grund für Mechthilds
Verspätung. Kleine, saubere Ein- und Zweifamilienhäuser, die nach viel
Bausparkasse und wenig Eigenkapital aussahen; nette, bunte Vorgärten, und die
ohne Gartenzwerge waren sogar in der Mehrheit.
    Das Haus Nummer acht lag etwas weiter
zurück als seine Nachbarhäuser, und ein Vorgarten war größer. Ein
weißgestrichener Staketenzaun schloß ihn zur Straße hin ab. Eine Pforte aus den
gleichen Staketen war an der linken Seite. Unter der Klingel sah ich ein
Messingschild.
    ‹Bertha von Scherff.›
    Darunter war mit zwei weißköpfigen
Heftzwecken ein Pappschild befestigt. Die Schrift darauf erkannte ich auf
Anhieb, trotz der sorgfältig gemalten Druckbuchstaben.
    ‹Mechthild Groß›.
    Mechthild mit der Tante von Scherff.
Viel schien der adlige Einfluß bisher nicht genützt zu haben.
    Die Pforte war nur eingeschnappt und
ging auf, als ich den Knopf drehte. Ich ging über einen sauber geharkten
Kiesweg, vorbei an Maiglöckchen und Tulpen und anderen Kräutern. Der Rasen war
dicht, frisch geschoren und roch nach Natur. Abgefallene Blüten von Obstbäumen
lagen herum. Drüben auf der anderen Seite stand eine kleine grüne Gießkanne,
wie sie die Witwen häufig auf die Friedhöfe mitnehmen, wenn sie ihre Männer
besuchen. Vielleicht würde Mechthild bald dasselbe tun.
    Das Haus hatte einen gelben Rauhputz,
blanke Fenster und Blumenkästen. Ein paar Mansardenfenster guckten aus dem
vierseitigen Giebel, und aus einem davon hing ein bunter Morgenrock über das
Fensterbrett hinaus und flatterte leise. Das sah ganz nach Mechthilds Kemenate aus.
    Sechs Stufen führten hoch zur
Eingangstür. Eine zweite Klingel war da. Ich drückte darauf und wartete.
    ‹Salve› stand in Lateinschrift über der
Tür. Sei gegrüßt!
    Aus der Tiefe des Hauses klangen
Schritte, eine Treppe herunter und her zur Tür.
    Ich hatte mir nicht vorstellen können,
wie Mechthild weinen würde. Jetzt, wo ich es sah, kam mir ein Gefühl wie einem
Ritter, der ein Edelfräulein an einen Baum gebunden sieht, mit einem greulichen
Lindwurm davor. Immer dasselbe.
    «Morgen, Mechthildchen», sagte ich.
«Tut mir leid, daß ich Sie angebrüllt habe. Kommen Sie, sehen wir nach.»
    Sie nickte, wischte durch ihr Gesicht
und drehte sich schnell um. Ich folgte ihr durch die Diele. Mit ein paar
Blicken sah ich mich um. Eine Flurgarderobe war da, aus Einzelteilen und mit
Wandbespannung aus Acella, Spiegel und zierlicher Schirmständer mit zwei
Knirpsen darin. An den Wänden hingen alte Kupferstiche von gleicher Größe und
gleicher Machart, dazwischen ragten dreiflammige elektrische Kerzenleuchter,
und unter allen war eine helle Tapete mit Männchen und Weibchen und Hunden. Ein
paar Türen mit großen, geriffelten Glaseinsätzen gingen ab. Eine stand offen.
Ich sah über einen großen Teppich hinweg auf Polstermöbel und einen Tisch mit
Mosaikplatte. Nette Behausung.
    Weiter hinten führte eine Treppe nach
oben. Mechthild ging vor mir her, und ich konnte ihre Beine nicht aus den Augen
lassen, trotz des traurigen Anlasses, aus dem ich hier war. Oben war eine
ähnliche Diele mit den gleichen Türen, nur ohne Garderobe. Eine schmale
Holztreppe wand sich noch höher hinauf, wahrscheinlich zu den Mansarden mit
Mechthilds Zimmer.
    Das Mädchen ging zur letzten Tür in der
Diele.
    Nur eine matte Helligkeit drang durch
den Glaseinsatz, als wären die Vorhänge im Zimmer noch nicht aufgezogen, aus
Furcht vor dem grellen Licht des Tages.
    Mechthild legte die Hand auf die
Klinke. Sie wandte sich noch einmal zu mir um. Ich nickte aufmunternd.
    Dann öffnete sie die Tür. Sie trat zur
Seite und blieb an der Wand stehen. Ich machte einen Schritt über die Schwelle.
    Die Fenster waren auf der rechten Seite
des Raumes. Schmale Lichtstreifen fielen auf einen langhaarigen Teppich. Ich
mußte mich einen Augenblick an das Dämmerlicht gewöhnen, und währenddessen
hörte ich Vogelgezwitscher aus dem Garten, wie ein Ruf des Lebens von weit her.
An

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