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Fünf alte Damen

Fünf alte Damen

Titel: Fünf alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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sowieso kaum was— »
    «Das Zimmer mit dem Morgenrock, wie?»
    Zum erstenmal lächelte sie.
    «Ja.»
    Ich bückte mich noch einmal, um den
Apparat aufzuheben. Trotz der Sprünge hielt das Gehäuse leidlich zusammen. Er
war so und so zum Teufel. Ich wollte ihn auf die Nachttischplatte hinstellen.
Da sah ich etwas, das ich kannte.
    Das Bild.
    Querformat in einem verschnörkelten
Silberrahmen. Fünf junge Mädchen, Arm in Arm, weiße Kleider, Propellerschärpen.
Hermann Jagow, Kunstlichtbildatelier. Höhere Töchter aus der guten alten Zeit.
    Das Bild, das bei der toten Jenny
Herwig auf dem Nachttisch gestanden hatte, zwischen Digitalis, Mimosen und
Schlaftabletten.
    Ich setzte das Telefon hin und nahm das
Bild. Auf einmal sah ich das tote Gesicht von Jenny Herwig und die funkelnden
Brillengläser von Krompecher vor mir. Natürliche Todesursache? Ganz normaler
Fall.
    «Mechthild», sagte ich, «ist Ihre Tante
hier drauf?»
    «Ja», antwortete sie leicht erstaunt.
Die erste von links.»
    «Und die anderen?»
    «Schulfreundinnen von ihr. Sie waren
auf demselben Lyzeum.»
    So sah es auch aus. Rechts außen, das
konnte Jenny Herwig sein.
    «Sie waren alle so um die neunzehn
herum, als es aufgenommen wurde.»
    «So wie Sie jetzt?»
    «Ja. Muß etwa 1910 gewesen sein. Warum
fragen Sie danach?»
    Eine Sekunde schwankte ich, ob ich ihr
erzählen sollte, wo ich das Bild schon gesehen hatte. Nein. Es hatte Zeit. Ihr
Kopf war jetzt voll und ihr Herz schwer genug.
    «Hat mich nur interessiert, wie sie
früher ausgesehen hat», sagte ich. «Aber man sieht die Ähnlichkeit noch. Möchte
wissen, wie ich aussehe, wenn ich so alt bin.»
    Wie unabsichtlich drehte ich das Bild
herum. Auch über der Rückseite war eine Glasplatte, keiner der üblichen
schwarzen Pappdeckel. Fünf Namen standen hinten auf der Fotografie, säuberlich
untereinander, mit lila verfärbten Schriftzügen, die sich nicht ähnelten:
    Bertha Strelkow.
    Alma Wiebach.
    Agnes Restorf.
    Jenny Restorf.
    Dorothea Lindemann.
    Hinter zweien der Namen war ein Kreuz,
schwarz und mit kräftigen Querstrichen. Viel frischere Tinte, ohne Zweifel.
    «Ach», sagte ich. «Zwei sind schon
tot?»
    Mechthild nickte hinter meiner
Schulter.
    «Ja. Die eine erst ganz kurze Zeit.
Tante Bertha war zu ihrer Beerdigung— am Freitag. Natürlich, jetzt fällt es mir
ein. Es hat sie ziemlich mitgenommen. Sie war hinterher ganz erledigt.»
    Freitag. Jenny war am Dienstag
gestorben.
    «Sie waren nicht dabei?»
    «Nein. Tante Bertha wollte es nicht.»
    Während meiner Fragen und ihrer
Antworten hatte ich das Bild in der Hand gehalten und versucht, mir die Namen
einzuprägen. Bertha Strelkow. Das war die Tante Bertha, verehelichte von
Scherff. Das erste Tintenkreuz war bei Alma Wiebach. Das zweite bei Jenny
Herwig. Blieben nur noch Agnes Restorf, die ich unter dem Namen Lansome kannte,
und Dorothea Lindemann, die ich nie gesehen hatte.
    Ich stellte das Bild zurück, ohne es
noch einmal anzusehen.
    «Mechthild», fragte ich, «hatte sie
einen Hausarzt?»
    Sie nickte. «Ja, den hatte sie.»
    «Wissen Sie seine Adresse?»
    «Die steht sicher unten im
Telefonbuch.»
    «Ich möchte ihn anrufen und ihm
Bescheid sagen. Auch wegen des Totenscheins ist es besser, wenn er herkommt.
Das Telefon hier ist hin. Ich gehe zur nächsten Zelle. Wollen Sie solange
hierbleiben? Oder wollen Sie gehen?»
    «Niemand braucht zu gehen», antwortete
sie. «Unten ist noch ein Apparat. Kann umgestellt werden.»
    «Sehr praktisch», sagte ich. «Kaum was
scheußlicher als der Aufenthalt in Telefonzellen.»
    Wir gingen hinaus. Ich drückte die Tür
behutsam ins Schloß, als schliefe die alte Dame nur und sollte nicht geweckt
werden. Mechthild führte mich die Treppe hinunter und zu der offenstehenden Tür.
Ich setzte mich vor den Mosaiktisch in einen der Polstersessel. Das Telefon
stand auf einem kleinen Tischchen in Reichweite, genauso weiß wie das im
Schlafzimmer. Das Telefonbuch lag in einem Fach darunter. Alles an seinem
Platz, wie es sich gehörte.
    Mechthild fand den Namen des Doktors
schnell.
    «Hier— Doktor Koch— »
    «Robert?»
    «Nein. Wilhelm.»
    «Geben Sie her.»
    Ich wollte die Nummer wählen.
    «Moment», rief Mechthild. «Muß erst
umschalten.»
    Sie lief hinaus. Ich hatte den Hörer am
Ohr und wartete, bis es knackte und zu tuten anfing. Dann drehte ich die weiße
Scheibe und überlegte dabei meine Rede.
    Es meldete sich eine brüchige, alte
Stimme. Wieder eine alte Dame. Man konnte schier nervös

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