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Fünf alte Damen

Fünf alte Damen

Titel: Fünf alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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wie lange der
Bus braucht, und manchmal dauert es ewig, und weil Sie doch am Mittwoch gesagt
haben— »
    «Du lieber Himmel», sagte ich matt.
«Mit Ihnen habe ich einen feinen Fang gemacht, beim Barte des Propheten.
Wirklich nett, daß Sie nicht kurz nach dem Abendbrot gekommen sind.» Ich griff
hinter mich zum Garderobenhaken. «Hier sind Schlüssel. Lassen Sie sich nicht
blicken, bevor ich rüberkomme, sonst drehe ich Ihnen das Innere nach außen.»
    «Jawohl, Herr Doktor.»
    Sie machte eine Art Knicks. Ich warf
die Tür zu.
    Eine Stunde später fingen wir an, zu
dritt. Ich kam mir vor wie ein Pascha für einen Tag. Carla bediente mich
drinnen, und Mechthild hantierte im Verbandszimmer und unterhielt die Leute.
Verschiedentlich hörte ich schallendes Gelächter. Es war ein netter, ruhiger
Tag. Leider der letzte für einige Zeit.
    Kurz vor zwölf Uhr war Schluß. Ich empfing
noch einen Arzneimittelvertreter und sagte ihm, daß seine Präparate viel teurer
wären als die der Konkurrenz. Er ließ mir eine Spezialzahnpasta und das
allerneueste Sonnenschutzöl da und erzählte die neuesten Witze. Dann schieden
wir voneinander.
    Ich ging hinaus zu meinen beiden
Frauen. Sie räumten das Verbandszimmer auf. Mechthild sterilisierte die
Spritzen.
    «Wie stellt sie sich an?» fragte ich
Carla.
    «Sehr brauchbar», erwiderte sie und
warf freundliche Blicke auf ihre Nachfolgerin. Mechthild schien es verstanden
zu haben mit ihr.
    Ich verabschiedete mich von Carla mit
einer längeren Ansprache, schenkte ihr einen dicken Arztroman als Abschiedsgabe
und bedankte mich für ihre überaus wertvolle Unterstützung. Sie war ziemlich
gerührt. Zusammen mit Mechthild verließ sie mich.
    «Lassen Sie sich immer mal sehen»,
sagte ich. «Und wir beide treffen uns Montag wieder, Fräulein. Bitte kommen Sie
weder zwölf Uhr nachts noch zwölf Uhr mittags.»
    «Das war ein feiner Film, nicht?» sagte
Mechthild.
    Ich schloß erschüttert die Tür hinter
ihnen.
    Dann sah ich meine Post durch und warf
vier Fünftel davon in den Papierkorb zur Selbsterledigung. Den Rest erledigte
ich. Das letzte war ein Fragebogen einer Buchgemeinschaft, die neue Mitglieder
suchte.
    ‹Haben Sie Volks- oder Hochschulbildung?›
war die letzte Frage.
    ‹Keins von beiden›, schrieb ich
darunter und legte die Karte zu den Ausgängen, weil der Empfänger versprochen
hatte, das Porto zu zahlen.
    Als ich meinen Mantel auszog, klingelte
es an der Tür. Ich seufzte, zog ihn wieder an und ging hin.
    Mein Blick traf auf ein Paar funkelnde,
ungeheuer dicke Brillengläser, hinter denen die Augen weit weg waren und
eiskalt. Als hätte er eine Staroperation auf beiden Seiten. Das Gesicht um die
Brille war oval, und sie saß auf einer starken Nase unverrückbar fest. Weil der
Herr seinen Homburg abgenommen hatte, konnte ich sein Haar sehen, oder was
daWin übrig war: ein paar schmale, grauschimmernde Sardellen über der
Hirnschale.
    Er war um die Fünfzig herum, trug einen
leichten grauen Raglan aus dem ersten Haus am Platze und hielt in der linken
Hand eine rindlederne Aktentasche mit raffiniertem Verschluß, achtzig Mark
garantiert. Offenbar hatte er es schon weiter gebracht als ich.
    «Guten Tag», sagte ich verbindlich. Es
war zwar schon Mittagszeit, aber ein neuer Privatpatient würde auch darüber
hinweghelfen, wenn er einer war.
    Er war keiner.
    «Guten Tag», erwiderte er mit Würde.
Seine Augen hinter den Linsen kamen näher heran. «Mein Name ist Krompecher,
Rechtsanwalt Doktor Krompecher.»
    «Klein», sagte ich und ärgerte mich,
daß ich so einem Namen nichts Besseres entgegenzusetzen hatte. Nie was gehört
von einem Krompecher. Seine Stimme klang nach Kanzlei und Gericht. Ich
überlegte blitzschnell, ob ich etwas ausgefressen hatte in letzter Zeit.
    «Ich bedaure, daß ich Sie jetzt noch
störe, Herr Doktor. Ich hätte Sie gern kurz gesprochen— das Anliegen läßt sich
telefonisch schlecht erledigen.»
    Ich bedauerte es auch. Aber jetzt war
er einmal da. Warum hatte er sich nicht angemeldet, zum Teufel? Wollte er mir
keine Zeit zum Sammeln lassen?
    «Ich bitte sehr», sagte ich, als könnte
mir gar nichts Erwünschteres passieren. «Treten Sie ein, Herr Rechtsanwalt.»

    Er tat es. Ich half ihm, den Raglan
auszuziehen, und sah am Schild über der Innentasche, daß er tatsächlich aus dem
ersten Haus am Platze war. Der Anwalt hängte den Homburg darüber, und ich
komplimentierte ihn zum Sprechzimmer hinein und auf den Patientenstuhl.
    Er richtete seine

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