Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
stand eine von ihnen auf und drehte die Kurbel des Grammofons. Die Jazzmusik im Hintergrund war wunderbar, auch wenn sie ein wenig melancholisch klang.
»Den sollten wir nicht schal werden lassen«, meinte Frances ein wenig lallend und goss ihren Gästen aus der zweiten Brandyflasche nach. Inzwischen waren sie ziemlich betrunken, vor allem Tanni, die die Geneverflasche weitgehend allein geleert hatte.
»Armer Oliver, armer Hugo, immer noch auf Posten«, ließ sich Alice aus den Tiefen ihres Ohrensessels vernehmen. Sie vermutete, dass sie angeheitert war. Es fühlte sich gut an.
Die Uhr schlug elf, dann wurde es Mitternacht. Keine der fünf Frauen rührte sich. Frances war froh, dass Hugo nicht zurückgekommen war, und vermutlich war es besser, dass sich auch Oliver nicht hatte sehen lassen. Mittlerweile fand sie es viel zu anstrengend, sich aus ihrem Sessel zu erheben. Die Flasche wurde einfach weitergereicht, indem man sich weit genug vorbeugte.
»Himmel, Tanni, du hast verdammt noch mal das ganze Gen-Zeugs getrunken«, rief Elsie plötzlich, als sie die leere Flasche über den Boden rollen sah. Tanni hatte eine rote Nasenspitze. Sie war sehr still geworden und starrte ins Feuer.
»Oh je«, hickste Evangeline. »Das hättest du nicht tun sollen …«
»Ist mir egal«, murmelte Tanni in ihrem Nest aus Kissen. Sie stopfte sich gerade das letzte Stück Möhrenkaramell in den Mund.
»Mir auch«, sagte Evangeline.
Auch Alice hickste und erhob ihr Glas. »Auf … das Ende des Krieges. Gott schütze den König. Und den Premierminister … und … und … Freunde, die nicht hier sein können. Die den Gefahren des Meeres trotzen«, lallte sie. Sie tranken.
»Jetzt bist du dran, Frances, ist doch dein Geburtstag.«
»Auf … Evangeline … wunderbares Essen, Tannis neues Baby … Johnny und Elsie und Bernie und Oliver … und natürlich auf das Ende des Krieges. Und auf … das Ende der Verdunkelung und der Bezugsscheine für Kleider und nie wieder Walfleisch … Tanz im Savoy … Anstecksträußchen mit Gardenien … Madame Vionnet … Parissssss!«
»Ganz genau!«
»Amen«, sagte Evangeline. Ihre Gedanken kreisten betrunken um die Frau aus Algerien und sie war überhaupt nicht in der Stimmung, einen Trinkspruch auszubringen.
»Elsie?«
Elsie erhob sich auf wackligen Beinen. »Auf meine Beförderung! Die Gruppenleiterin hat’s mir gesagt.«
»Die Gruppenleiterin hat dich befördert?«, fragte Frances ungläubig. Diese Frau hatte Elsie vor nicht allzu langer Zeit bezichtigt, eine deutsche Saboteurin zu sein, weil sie sich im Umgang mit Maschinen und Tieren als hoffnungsloser Fall erwiesen hatte.
»Tja, ich bin jetzt Erste Rattenfängerin, was sagt ihr dazu?«, meinte Elsie stolz.
Die Antwort war kreischendes Gelächter. »Erste
Ratten
fängerin?«
»Na ja, im Moment gibt’s nur eine, und die bin ich. Aber wenn’s mehr werden, dann bin ich die Leiterin der Rattenfänger. Stellt euch das vor! Ich hab meinen eigenen Vorrat an Gift und so. Arsen! Zyanid! Ich hab ’n Talent, alles kaputt zu kriegen, hat sie gesagt, und da könnt man mich besser auf die Ratten loslassen, weil ich alles andere schon kaputtgemacht hab. Wenn Agnes und Mum und Violet und Jem und die Zwillinge das hören!«
»Glückwunsch!«
»Gut gemacht, Elsie!«
Tanni begann leise zu weinen. Die anderen hörten schlagartig auf zu lachen. Erst sahen sie einander verwirrt an, dann richteten sie ihre Blicke auf Tanni. Schließlich standen sie eine nach der anderen ein wenig unsicher auf und scharten sich um Tanni. Alice fragte: »Ist es das Baby? Oh, Tanni, es ist doch längst noch nicht so weit!«
»Vielleicht … wir sollten … ob wir Schwester Tucker anrufen?«, fragte Frances widerstrebend. Sie konnte sich gut vorstellen, wie Schwester Tucker reagieren würde, wenn sie sie alle so sah, vor allem die werdende Mutter. Sturzbetrunken!
Der Genever hatte Tannis übliche Zurückhaltung dahinschmelzen lassen. »Nicht das Baby.« Plötzlich brach sie in heftige Tränen aus. »Es ist … es sind die Zwillinge!«
18
Crowmarsh Priors,
Frances’ Geburtstag, in den frühen Morgenstunden
»Was … wovon redet sie?«, fragte Frances und versuchte, sich aufrecht hinzusetzen.
»Muss mit was zusammenhängen, was Elsie gesagt hat. Sie sollte besser aufpassen, so rücksichtslos von ihr«, meinte Alice vorwurfsvoll.
»Ach, halt den Mund, Alice!«, sagte Frances. Sie versuchte, klar zu denken, doch es fiel ihr
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