Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
sehne mich nicht danach, wieder in New Orleans zu sein. Überhaupt nicht. Niemals.«
Es war unverkennbar, dass sie es ernst meinte. Frances fragte sich, ob sie Hugo jemals mit derselben Hingabe lieben könnte, mitder Evangeline ihren Mann liebte. Um seinetwillen ertrug sie den Krieg und alles andere. Frances versuchte, sich das vorzustellen. Vielleicht hatte es mit Sex zu tun? »Schade, dass Richard nicht öfter auf Urlaub kommen kann, du hast ihn nur drei- oder viermal gesehen, oder?«
»Dreimal, und das auch nur, weil sein Schiff repariert werden musste«, sagte Evangeline knapp. »Es war also nur ein kurzer Urlaub.«
»Und ich weiß, wie sehr du dir ein Baby wünschst … wo du doch immer nach London fährst zu diesem Arzt …« Frances verstummte. Ihr wurde plötzlich klar, dass Hugo, wenn sie ihn tatsächlich heiraten sollte, sofort ein Kind haben wollte und dann noch eins. Normalerweise begnügten sich Leute mit Adelstiteln nicht mit einem Erben, sondern sorgten zur Sicherheit noch für einen Ersatzerben in der Hinterhand, und zwar so schnell wie möglich. So sehr sie Johnny mochte, konnte sie sich doch nicht vorstellen, selbst ein Baby zu haben, jedenfalls nicht in der nächsten Zeit. Sie konnte sich nicht vorstellen, sich überhaupt ein Baby zu
wünschen
. So dick und aufgedunsen zu sein und dann das Kind zu gebären – solch eine unappetitliche Angelegenheit, die auch noch schrecklich wehtat. Und dann war da auch noch die Sache mit dem Sex. Nein, irgendwie konnte sie sich Sex mit Hugo nun wirklich nicht vorstellen.
»Wir wissen nicht, was passiert, wenn der Krieg vorbei ist«, sagte Evangeline. »Aber ich sollte dich vorwarnen. Tanni hat heute wieder einen Brief von den Leuten bekommen, die sie in London kennt. Sie ist schrecklich durcheinander deswegen, doch sie gibt sich alle Mühe, heute Abend nicht davon anzufangen, weil sie dir dein Fest nicht verderben will. Sie sagt, du bist so gut zu ihr gewesen.«
Frances bekam ein schlechtes Gewissen. Sie hatte nichts weiter getan, als Tanni ein Negligé zu geben, das sie übrig hatte.
Im Morgensalon war Tanni vom Sofa aufgestanden und streckte sich. Dabei massierte sie sich mit den Händen das Kreuz. »Genever!«, rief sie plötzlich, als sie die Flasche auf der Anrichteerkannte. »Wie bist du denn daran gekommen? Mein Vater hat ihn immer seinen Patienten verschrieben, sie sollten ihn nach den Mahlzeiten trinken. Er schmeckt scheußlich.«
»Ja, ich weiß, ich hab ihn beim Anziehen probiert«, sagte Frances und verzog das Gesicht. »Aber er wärmt schön. Möchtest du welchen?«
Tanni nickte. »Genever ist ja fast so etwas wie Medizin, also wird er dem Baby guttun.« Egal wie schauderhaft er schmeckte – er erinnerte sie an zu Hause. Sie wandte sich ab, damit Frances nicht sah, wie das Lächeln aus ihrem Gesicht schwand.
Nach dem Seder am Passahfest hatte Tante Berthe, die sich immer noch nicht von ihrer Internierung erholt hatte, Tanni eindringlich davor gewarnt, Deutsch zu sprechen, sogar zu Hause. Man wusste nie, wer es mitbekam und sie möglicherweise als Spionin anzeigte. Tanni müsse ganz besonders vorsichtig sein, fügte sie hinzu, damit sie die Leute in dem Dorf, in dem sie lebte, nicht gegen sich aufbrachte.
Wenn man Tante Berthe glaubte, dann gab es für Juden inzwischen keinen sicheren Ort mehr. »Internierung«, sagte sie in ängstlichem Flüsterton. Das war es, was die Deutschen auf dem Kontinent mit ihnen machten. Und wer wusste schon, was sonst noch alles passierte? Vielleicht fiel es den Briten auch ein, dem Beispiel der Deutschen zu folgen – Rachel meinte, wegen des Mangels an Arbeitskräften würde es bald die Wehrpflicht für Frauen geben und allmählich waren die Leute, vor allem die aus den höheren sozialen Schichten, der Ansicht, dass man mit Deutschland Frieden schließen sollte. Tanni wusste, dass das stimmte – sie hatte Lady Marchmont darüber reden hören. Gut, dass Tante Berthe ihr nie begegnet war.
Bruno beteuerte immer und immer wieder, dass seine Stelle als Übersetzer beim Militär ihn selbst, Tanni und Johnny auf jeden Fall davor bewahren würde, in ein Lager eingesperrt zu werden. Doch nach den Erfahrungen der Cohens hielt Tanni nichts mehr für sicher, egal, wie freundlich Evangeline, Alice, Frances und Elsie waren.
Tante Berthe hatte ihr auch eingeschärft, dass es nicht gut für das Baby sei, sich Sorgen zu machen, doch wenn sie versuchte, sich nicht zu sorgen, wurde alles nur noch schlimmer. Sie
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