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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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schwer.
    Elsie hockte sich auf die Sofalehne, tätschelte Tanni die Schulter und starrte Alice finster an. Alice hat wirklich keine Ahnung, was in anderen vorgeht, dachte sie. Tanni war der einzige Mensch, der Verständnis für Elsie hatte, wenn sie Mum und die anderen vermisste. Bernie und Frances meinten es gut, aber sie hatten eigentlich keine Familie, die sie hätten vermissen können. Evangeline reagierte immer ganz zugeknöpft, wenn man sie auf ihre Familie ansprach, und was Alice selbst anging – nun ja, je weniger man über Mrs. Osbourne sagte, desto besser. Zum ersten Mal kam es Elsie in den Sinn, dass Tanni außer Bruno und Johnny möglicherweise irgendwo noch andere Familienmitglieder hatte, obwohl sie sie nie erwähnte. Und nun weinte sie wegen irgendwelcher Zwillinge.
    »He, Alice, Leute wie du haben doch immer ein Taschentuch dabei. Tanni braucht eins.« Mürrisch zog Alice ihr Taschentuch hervor und reichte es Elsie.
    »Na, na«, sagte Elsie und beugte sich über Tanni. »Putz dir die Nase und sag uns, was los ist.«
    Evangeline saß mit angezogenen Knien in ihrem Sessel und trank den letzten Schluck Brandy aus ihrem Glas. »Du sollst es eigentlich nicht wissen, Elsie, aber Tanni hat ein Foto über ihr Bett gehängt. Darauf sind zwei Frauen zu sehen, ein Mann und zwei kleine Mädchen, die einander sehr ähnlich sind. Ihre Familie, nehme ich an. Und soweit ich weiß, werden sie vermisst. Ihre Tante Berthe … sie hat ihr gesagt, sie soll nicht über sie reden – sie meint, man würde sie einsperren, wenn sie es trotzdem tut.«
    »Wer will Tanni einsperren?«, fragte Elsie empört. »Und wo wird ihre Familie vermisst?«
    »Tanni, versuch, dich zu beruhigen – ist nicht gut für das Baby, wenn du dich so aufregst, das weißt du doch. Erzähl uns alles. Wir passen schon auf, dass dich niemand einsperrt«, sagte Frances.
    Die besorgten Blicke der anderen waren zu viel für Tanni. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. »Evangeline hat recht. Ich darf nicht … ja, ich erzähle euch alles.« Sie griff in ihre Tasche, holte einen Umschlag hervor und faltete Rachels Brief auseinander. »Aus London. Ein paar Freunde in London versuchen herauszufinden, was passiert ist.« Sie wischte sich über die Augen. »Sie können meine Eltern nicht in England finden und auch Brunos Mutter nicht. Sie sollten herkommen, aber sie sind in Österreich verschwunden, wahrscheinlich wurden sie verhaftet und in ein Arbeitslager in Polen geschickt, wie alle anderen Juden aus ihrem Viertel.« Tanni schluchzte auf. »Aber Lili und Klara, meine kleinen Schwestern, saßen in einem speziellen Zug, der Richtung England unterwegs war. Nun sind sie wahrscheinlich in Frankreich, in einem Internierungslager … wenn … wenn sie nicht tot sind!« Sie begann wieder zu weinen.
    »
Wer

    »Sollte deine Familie eigentlich in England sein?«
    »Worum geht’s hier eigentlich?«
    »Elsie, sei still und lass Tanni erzählen!«, forderte Evangeline sie auf.
    »Tanni, hör auf zu weinen«, sagte Frances in scharfem Ton. »Wo in Frankreich?«
    Tanni fand die Stelle in Rachels Brief. »Der Ort heißt Gurs.«
    »Wartet, ich sehe mal nach, ob Tante Muriel eine Landkarte hatte. Geografie ist nicht gerade meine Stärke.« Leise wankend ging Frances in das Zimmer, das einmal Sir Humphrey Marchmonts Arbeitszimmer gewesen war. Es war noch so eingerichtet wie zu seinen Lebzeiten. Mit einem uralten Baedeker in der Hand kam sie zurück. Auf der Suche nach einer Karte von Frankreich blätterte sie ungeschickt darin herum, gleichzeitig überlegte sie, welch ein Segen es war, dass die Bürgerwehr immer noch im Dienst war und sie nur zu fünft hier saßen. Wenn die Männer da gewesen wären, hätte Tanni mit Sicherheit nichts gesagt. Sie fand die richtige Seite und legte Tanni das Buch in den Schoß.
    Evangeline und Alice kamen zum Sofa herüber und lehnten sich über Elsies Schulter, um einen Blick auf die Karte werfen zu können. Tanni starrte suchend darauf. »Hier«, sagte sie schließlich und zeigte auf einen Punkt auf der Karte. Er lag dicht an der Grenze zu Spanien. »Meine Freunde haben herausgefunden, dass der Kindertransport, in dem Lili und Klara waren, nicht nach England hereingelassen wurde. Er ist dann dorthin gefahren, nach Gurs, wo es ein großes Lager für Vertriebene gibt. Erst waren es Flüchtlinge aus dem Spanischen Bürgerkrieg. Viele Spanier sind dort geblieben, statt nach Spanien zurückzukehren, doch nun kommen viele

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