Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
ist. In England gibt es viele wie mich, die auf den Endsieg warten. Und wir werden siegen.«
Der Mann schwieg und Bruno wartete. Auch er schwieg. Schließlich spürte er ein Knacken in den Ohren, ein Zeichen, dass sie sich im Landeanflug befanden. Das Flugzeug beschrieb eine Kurve und überflog eine kleine Insel inmitten einer endlosen Wasserfläche. Der Boden war mit Schnee bestäubt. Der Mann sah aus dem Fenster. Er lächelte und reckte den Hals, um das Flugzeug zu sehen, in dem der Mann saß, gegen den er ausgetauscht wurde und das ihn nach Deutschland zurückbringen würde. Er war eitel und wollte unbedingt wissen, wie hoch die Briten seine Bedeutung einschätzten. Außer einer grob markierten Landebahn, die über die gesamte Länge der Insel verlief, gab es nur Felsen, ein paar Fichten und eine Hütte. Kein anderes Flugzeug.
»Wir sind also als Erste da, sie haben sich verspätet«, murmelte er. »Das ist unhöflich, bei dem schlechten Wetter aber durchaus verständlich.«
Bruno schwieg immer noch.
Die Norseman setzte hart auf und rollte die Landebahn entlang, bis sie schließlich zum Stehen kam. Wieder spähte der Gefangene auf die kahle, leere Insel und dann in den Himmel. Der Pilot und der Co-Pilot standen auf und streckten sich. Als der Pilot die Tür öffnete, wehte ein Schwall eisiger Luft herein. Die beiden Männer standen rechts und links von der offenen Tür. Sie warteten. »Kommen Sie. Hier entlang.«
Der Mann sah Bruno an, dann die Piloten und den Wachposten. »Aber das andere Flugzeug ist noch nicht hier. Wo ist es?«, wollte er wissen. Niemand sagte etwas. Er sah von einem zum anderen. Langsam dämmerte ihm, warum man ihn hierher gebracht hatte. Ungläubig starrte er seine Begleiter an, der Schock verzerrte seine Miene. Das Blut wich ihm aus dem Gesicht und seine Lippen formten ein stummes »Nein!«, doch er sagte kein Wort.
Stattdessen wandte er sich wieder Bruno zu. »Dürfte ich eine Zigarette haben?« Es klang wie ein Befehl.
Bruno nahm das Päckchen
Players
aus seiner Brusttasche, öffnete es und klopfte eine Zigarette hervor. Der Mann hob seine aneinandergeketteten Hände, um sie zu greifen. Sie zitterten nur leicht, als Bruno ein Streichholz anriss und die Zigarette anzündete.
Sie warteten schweigend, während der Mann rauchte und schließlich den Stummel unter seinem Schuh austrat. »Ich bin so weit«, sagte er und richtete sich auf. Der Wachposten führte ihn die Stufen des Flugzeugs hinunter. Flankiert von dem Piloten und dem Copiloten steuerte die Gruppe auf die Ansammlung von Fichten am Wasser zu.
Bruno folgte ihnen die Stufen hinunter, streckte sich und stampfte mit den Füßen, um sich warmzuhalten. Er war bei der Befragung des Gefangenen dabei gewesen und wusste, dass er das verdiente, was gleich geschehen würde. Er dachte an seine Mutter und die Josephs, an die Hölle, die sie durchleben mussten. Wennsie überhaupt noch lebten. Er dachte an Lili und Klara, die nur ein paar Jahre älter waren als Johnny, wo immer sie auch sein mochten. Was wäre, wenn Johnny und Anna … nein, er konnte es nicht ertragen, sich seine Kinder in der Situation von Lili und Klara vorzustellen.
Aus diesem Grund konnte er seine Arbeit machen. Er hatte bereits ein Dutzend feindliche Agenten zu demselben Zweck auf diese trostlose Insel begleitet. Wenn er das nächste Mal herkam, dann hoffentlich mit demjenigen, der den Deutschen diese verhängnisvollen Berichte über wolkenlose Nächte zuspielte.
Eine Gewehrsalve hallte durch die kalte Stille. Der Wachposten und die Piloten kamen ohne den Gefangenen zurück. Sie nickten Bruno zu. »Das wäre erledigt.« Rasch tankten die Piloten das Flugzeug mit den Benzinvorräten aus der Hütte auf und drehten es mit wirbelnden Propellern so, dass es am Anfang der schmalen Startbahn stand. Das kleine Flugzeug wurde schneller, im letzten Moment hob es ab und flog über die kahlen Felsen. Bruno dachte an seine Mutter und die Josephs in irgendeinem deutschen Arbeitslager und wünschte sich, er könnte glauben, dass der heutige Akt der Gerechtigkeit ihnen half.
22
Ein Trainingslager,
Januar 1942
Von unten konnte man die beiden Männer nicht sehen, die im Regen auf den Burgzinnen standen. Mit Feldstechern beobachteten sie die neuen Rekruten, die am Vormittag den Umgang mit Sprengstoff geübt hatten und nun ein Kommandotraining absolvierten. Abwechselnd mussten sie schwere Behälter mit Munition und Ausrüstungsgegenständen, wie sie hinter den feindlichen
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