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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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sei Dank hatten sie sich erholt und wie durch ein Wunder hatte er das Unmögliche möglich machen können und ihnen Plätze in einem Zug beschafft, der im Sommer desselben Jahres Österreich verließ. Seine Kinder waren zusammen und in Sicherheit.
    Er hielt sich an diesem Gedanken fest, damit er nicht an seine Frau im Frauenblock denken musste. Von Zeit zu Zeit konnte er einen Blick auf sie erhaschen, auf ihren rasierten Kopf und ihre eingefallenen Wangen … Er erinnerte sich daran, wie sie an dem Tag ausgesehen hatte, als er um ihre Hand anhielt, wie sie in ihrer Hochzeitsnacht aussah und wie sie als hübsche junge Ehefrau und Mutter in einem Mantel mit Pelzkragen und Muff, den Frau Zayman genäht hatte, auf die fünfjährige Tanni herunterlächelte.
    Die arme Frau Zayman hatte in dem versiegelten Eisenbahnwaggon auf dem Weg ins Lager eine Rippenfellentzündung bekommen. Sie hatte Fieber und hustete. Es hatte nichts zu essen oder zu trinken gegeben und sie konnte sich nirgendwo hinlegen. In eine Ecke gedrückt hatte sie ihren letzten Atemzug getan.
    Ein Mann, der für seine Kinder keine Plätze für den Kindertransport hatte bekommen können, weinte. Ein neuer Häftling erkundigte sich höflich, ob die verheiratete Tochter schon Kinder habe.
    »Wir haben gehört, dass meine Tanni ein Kind erwartete«, sagte Dr. Joseph verträumt, »kurz bevor wir weggebracht wurden. Das Baby wird diesen Sommer drei Jahre alt. Wir wissen nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.«
    »Herzlichen Glückwunsch«, flüsterten mehrere Männer in der Dunkelheit aus den überfüllten Betten. »Mögen die Mutter und das Baby gesund sein und das Baby ein langes und bedeutendes Leben haben.«
    »Ah, zu wissen, dass die Kinder zusammen in England sind, in Sicherheit, genug zu essen haben, lernen, vielleicht sogar spielen. Milch. Sonnenlicht. Es muss ein großer Trost für Sie sein«, murmelte ein anderer Mann. Hier konnte man sich so etwas kaum vorstellen.
    Trotz der späten Stunde lagen nicht alle Lagerhäftlinge in ihren Betten.
    In einem anderen, hell erleuchteten Gebäude, war ein Häftling, der für diesen Bereich eingeteilt war, noch wach. Dort saß der Doktor trotz der späten Stunde über seiner Arbeit. Seinem Erzrivalen, Ernst Schäfer, war es nicht gelungen, bei seiner Expedition nach Tibet einen verschollenen Stamm reiner Urarier aufzuspüren, und nun hatte der Doktor endlich grünes Licht für sein Eugenik-Programm bekommen. Das war eine großartige Chance für ihn. Er hatte Schäfers Theorie schon immer für Unfug gehalten, doch Himmlers Interesse daran hatte immerhin den Vorteil, dass er, der Doktor, den Mann loswurde. Als Himmler schließlich die Geduld mit Schäfer verlor, betrachtete er die Experimente des Doktors als das beste Mittel, die Überlegenheit der arischen Rasse zu sichern.
    Allerdings brachte das Programm nicht die raschen Ergebnisse, die er versprochen hatte. Himmler wurde immer ungeduldiger und der Doktor machte sich mehr und mehr Sorgen, weil er Himmlers Erwartungen nicht annähernd erfüllte. Vorläufig hielt er ihn hin, verkroch sich hinter »Verfahren« und »Auswertungen« und hielt jedes Detail der Experimente in seiner altmodischen Handschrift fest. Dann stellte er spezifische, sehr ausführliche Kriterien für die nächste Versuchsreihe auf. Er versicherte, dass Geduld und Präzision sich ganz gewiss auszahlen würden und dass es nun darum ging, die Versuchsobjekte auszuwählen. Doch bislang hatte der Doktor die Antwort nicht gefunden.
    Derweil versicherte er Himmler immer wieder, dass er nur noch ein wenig Zeit brauche und dass es seine wissenschaftlich Methoden und nicht die verrückten Pläne eines Abenteurers waren, die schließlich die gewünschten Resultate liefern würden. Sein Ziel war ebenso berückend wie einfach: Er wollte mit wissenschaftlichen Methoden feststellen, unter welchen Voraussetzungen es deutschen Frauen möglich sein würde, die doppelte Anzahl an Babys zu produzieren. Die arische Fortpflanzung würde sich verdoppeln, während gleichzeitig die minderwertigen Nichtarier ausgerottet wurden. Der Doktor beschrieb Himmler die riesigenBrutlager, die ihm vorschwebten. In ihnen würden sorgfältig ausgewählte nordische Frauen, Mütter der reinen Herrenrasse, die das Schicksal Deutschlands erfüllen würden, bei jeder Geburt zwei Kinder zur Welt bringen. Wie rationell!
    Der Führer selbst zeigte großes persönliches Interesse an diesem Projekt.
    Doch Andeutungen und Versprechen

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