Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
mussten Taten folgen. Der Druck nahm zu und der besorgte Doktor hatte erwogen, die Forschungen auf Drillinge oder noch größere Mehrlingsgeburten auszudehnen. Dann jedoch musste er widerstrebend einräumen, dass solche Geburten zwar zweifelsohne äußerst rationell waren, gleichzeitig aber das Risiko bargen, dass die arischen Gene geschwächt würden, wenn man sie auf zu viele Babys aufteilte. Mit Zwillingen war man auf der sicheren Seite. Außerdem herrschte im Lager ein Mangel an Drillings- oder anderen Mehrlingsgeburten, an denen man zufriedenstellende Versuche hätte durchführen können.
Für heute hatte der Doktor seine Arbeit beendet. Die dreizehnjährigen Zigeunerjungen, bestens geeignete gesunde Versuchsobjekte und eineiige Zwillinge, lagen verstümmelt auf dem blutigen Operationstisch. Der Doktor dachte über die Anzahl der verschiedenen Tests nach, die er durchgeführt hatte. Er hatte zum Beispiel verglichen, wie das System eineiiger Zwillinge auf toxische Substanzen reagierte und ob eines der beiden Kinder einen höheren Widerstand zeigte. Er würde die Ergebnisse auf die bewährte penible Art festhalten, sobald er die Organe untersucht hatte, allerdings beunruhigte ihn der Gedanke ein wenig, dass er möglicherweise keine wichtigen neuen Erkenntnisse hatte gewinnen können, bevor die Versuchsobjekte starben. Vielleicht hätten sie etwas länger gelebt, wenn er Narkosemittel verwendet hätte. Auf diese Weise hätte er breiter angelegte Tests durchführen können.
Er musste den Begriff »eineiig« von einer anderen Warte aus betrachten. Er runzelte die Stirn und dachte nach, während er sich die Hände sauber schrubbte und seinen blutbefleckten weißen Kittel auszog. Die Unordnung im Labor würden Lagerinsassen,allesamt Ärzte, beseitigen. Vier dünne Häftlinge in Laborkitteln schlurften heran. Wenn die Züge mit Deportierten ankamen, befahl man den Ärzten unter ihnen vorzutreten. Das taten sie immer freiwillig, in der Hoffnung, dass man ihnen die medizinische Fürsorge für die Gefangenen auftrug. Bei der Reinigung seiner Labore machten sie weniger Ärger und waren gründlicher als normale Häftlinge. Allerdings hatten schon mehrere von ihnen schlecht auf seine Weigerung reagiert, bei seinen Versuchen Narkosemittel zu verschwenden. Einer hatte die Versuchsobjekte sogar umgebracht. Die Wachen hatten sich seiner auf der Stelle angenommen, als warnendes Beispiel für die anderen. Der Doktor seufzte, als er daran dachte, dass die getöteten Versuchsobjekte natürlich nicht mehr für seine Versuche zu gebrauchen waren. Welch eine Verschwendung.
Eine neue Sichtweise auf Zwillingsgeburten … man hatte ihm in der Vergangenheit immer neue Zwillinge zur Verfügung gestellt, meist Juden, die man in den Internierungslagern, Ghettos, Schulen und Krankenhäusern in den Ländern einsammelte, die Deutschland besetzt hielt. Die Versuchsobjekte waren in einem besonderen Kinderflügel des Lagers untergebracht. Inzwischen war der Strom der Zwillinge allerdings fast versiegt, und in der Mehrzahl waren es Jungen gewesen. Was er brauchte, waren Mädchen, um die Entwicklung ihrer Fortpflanzungsorgane untersuchen zu können.
Dann hatte er einen Geistesblitz. Ihm wurde klar, dass er durch Versuche an den Eltern der Zwillingskinder wertvolle Erkenntnisse gewinnen könnte.
Dabei stieß er jedoch auf ein weiteres praktisches Problem: Die Zwillinge im Kinderhaus waren vor ihrer Ankunft im Lager von ihren Eltern getrennt worden.
Es bereitete ihm ein wenig Unbehagen, dass er Erkenntnisse, von denen Arier profitieren sollten, aus Experimenten an jüdischen Versuchsobjekten gewann. Allerdings wären selbst Juden, so gerissen sie auch waren, nicht schlau genug, um Schlussfolgerungen zu verfälschen, zu denen man mit Hilfe von geeigneten wissenschaftlichen Methoden gelangte.
Der Doktor wandte sich an seinen Assistenten. »Wir haben das nächste Stadium der Untersuchungen erreicht. Ich brauche weibliche Zwillingskinder
und
ihre Eltern. Es ist eine Angelegenheit von höchster Wichtigkeit. Eine zusätzliche Ration Brot für jeden Häftling, der mir die Eltern von weiblichen Zwillingen nennen kann.«
Einer der Insassen, die den Versuchsraum säuberten, hob den Kopf. »Brot«, flüsterte er. Sein Mithäftling, Dr. Joseph, fiel ihm ein, der in dem Bett unter ihm schlief. Dr. Joseph hatte sich nicht gemeldet, als man allen Ärzten befohlen hatte, vorzutreten.
Der Insasse war zur selben Zeit und fast in derselben Straße verhaftet
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