Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
Zwanzigerjahren, das sie auf dem Dachboden gefunden hatte. Tanni war inzwischen im fünften Monat schwanger und sah in ihrem Umstandskleid schon recht ausladend aus. Eigentlich wollte sie keine Brautjungfer sein, doch Elsie ließ keinen Widerspruch zu: Sie bestand darauf, ihre besten Freundinnen um sich zu haben. Also hatte Tanni sich ein frisch gewaschenes rosafarbenes Baumwollkleid angezogen und einen Spitzenkragen an den Ausschnitt geheftet, den sie aus einem Sofaschoner zugeschnitten hatte. Sie sagte, wahrscheinlich würde sie Anna auf dem Arm halten müssen, damit sie nicht losbrüllte, und Elsie erwiderte nur: »Man kann doch nicht genug Brautjungfern haben.« Und so trug Anna ebenfalls ein rosafarbenes Kleidchen und ihre spärlichen dunklen Haare waren mit einer rosafarbenen Schleife zusammengebunden. Noch konnte sie kaum aufrecht sitzen, ohne dabei gefährlich zu wackeln. Nun saß sie in aller Pracht in Richards altem Kinderwagen, der mit einem Geißblattzweig und einem weißen Band verziert war. Sie knabberte an ihren nackten Zehen und beobachtete mit ernstem Blick, was um sie herum vor sich ging.
»Steh auf, damit wir dir das Kleid anziehen können. So, über den Kopf und schön langsam.« Der Stoff raschelte leise, als Tanni die Falten richtete. »Halt still … so, die Knöpfe hätten wir. Jetzt derSchleier. Nein, steck ihn hier fest. Und hier.« Sie hantierten eifrig an Elsie herum und drehten sie hin und her.
»So, jetzt darfst du schauen«, sagte Alice schließlich und führte Elsie zu dem bodenlangen Spiegel in der Diele.
Elsie stockte der Atem. Agnes und die Zwillinge wären völlig baff, wenn sie sie so sehen könnten, und Mum – nicht auszudenken, was Mum gesagt hätte! In der North Street hinter der Klebstofffabrik zur Welt gekommen – und jetzt das! Richtig vornehm mit lauter Seide und Spitze und mit einer Schleppe, die sie hinter sich herzog, als wäre sie die Königin höchstpersönlich! Und vier Brautjungfern und dann auch noch Johnny als Page. Er sollte den Ring auf einem Kissen tragen, bis es so weit war, dass Bernie ihn ihr an den Fingern steckte. Der Page war Alice’ Idee gewesen. Und all diese Pracht führte dazu, dass sie Bernies rechtmäßig angetraute Frau wurde. Gleich würde sie richtig getraut werden, in einer richtigen Kirche! Mitsamt Brautvater! Sie begriff nicht ganz, was in der Kirche alles passieren würde, obwohl die anderen es ihr so genau erklärt hatten, als würden sie den lieben langen Tag nichts anderes tun, als von einer Hochzeit zur anderen zu ziehen. Sie hatte ein flaues Gefühl im Magen. Weder sie noch Bernie waren bisher auf einer Hochzeit gewesen, sie kannten nur die Bilder in den Zeitungen. Aber eins stand fest: Eine Hochzeit war etwas Anständiges.
Nach der Trauung sollte es sogar eine Hochzeitstorte geben. Elsie war völlig neu, dass man nicht nur ein Kleid, Brautjungfern und all das brauchte, sondern auch noch eine Torte. Die jungen Frauen hatten ihre monatliche Zucker- und Butterration zusammengelegt und nun stand in der Speisekammer eine kleine Hochzeitstorte, die Evangeline fabriziert hatte. Sie hatte sie mit echten Rosen verziert, mit Eiweiß bestrichen und mit Zucker bestreut. Bernie hatte ein paar Flaschen Champagner beigesteuert, die die feinen Pinkel ihm gegeben hatten. Das behauptete er jedenfalls. Und heute hatte Elsie nicht vor, genauer nachzufragen.
An ihrem Finger funkelte der Verlobungsring aufmunternd.
»Wir machen uns besser auf den Weg, bevor diese Bande hier sich wieder schmutzig macht«, meinte Evangeline und rief die aufgekratztenKinder, die im Garten Fangen spielten. Johnnys Kniestrümpfe, die zu seinem Pagenkostüm gehörten, waren schon wieder heruntergerutscht. »Nicht, dass Bernie noch denkt, du hättest es dir anders überlegt.«
Die Brautjungfern setzten ihre Strohhüte auf, die mit frischen Blumen und Bändern geschmückt waren. Sie trugen keine Strümpfe, sondern hatten sich mit einem angesengten Korken einen Strich auf die sonnengebräunten Waden gemalt. Ein letzter prüfender Blick, ob alle »Nähte« gerade saßen, und dann konnte es losgehen.
»Die Sträuße!«, rief Frances plötzlich, machte kehrt und rannte in die Spülküche zurück, um fünf kleine Sträußchen aus Rosen und Bischofskraut zu holen, die in Marmeladengläsern im Wasser standen. »Hier ist die Schleppe«, sagte Alice wehmütig zu Elsie, die wie ein aufgeregtes Kind aussah, »häng sie dir auf dem Weg zur Kirche über den Arm.«
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