Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
Pfarrer durfte ein verstörtes Gemeindemitglied nicht in den Arm nehmen. Selbst wenn der Pfarrer dieses Gemeindemitglied mehr liebte als sein Leben.
Frances schluckte. Sie sah ihn mit ihren saphirblauen Augen unverwandt an und platzte dann heraus: »Oh, es ist nichts Ungesetzliches, aber es darf niemand wissen.«
»Kein Problem. Sie wissen ja, dass Pfarrer die Geheimnisse, die ihnen anvertraut werden, für sich behalten müssen. Also verspreche ich, Ihr rätselhaftes Geheimnis zu bewahren, was immer es auch sein mag.«
»Aber Sie müssten
mir
vertrauen … und mir keine Fragen stellen.«
Oliver ließ jede Zurückhaltung fahren. »Ich vertraue Ihnen bis ins Grab und darüber hinaus, wenn es sein muss. Ich tue alles, worum Sie mich bitten. Alles. Und ich stelle keine Fragen.«
»Nun, versprechen Sie lieber nichts, bevor Sie nicht wissen, worum es geht.« Sie nahm all ihren Mut zusammen und brachte hastig ihre Bitte vor. Sie hielt den Atem an. Sofort wünschte sie, sie könnte ihre Worte zurücknehmen, weil sie sich damit wahrscheinlich jede Hoffnung zunichte gemacht hatte. In Olivers Gesicht spiegelte sich erst ungläubiges Staunen, dann Freude. »Das möchtest du? Wirklich?«
Sie nickte. »Ja, ich wünsche es mir so sehr. Aber nur, wenn du …«
»Oh, Frances«, sagte er und streckte die Arme nach ihr aus. »Es ist wie ein Wunder. Wenn du nur wüsstest. Ja, tausendmal ja.«Am Abend des darauffolgenden Tages klopfte es an der Tür des Alten. »Herein«, sagte er, »und wo Sie gerade hier sind: Wo zum Teufel ist Miss Falconleigh? Holen Sie sie auf der Stelle ans Telefon. Habe gestern nach ihr geschickt, aber sie war verschwunden.«
Der Mann, der geklopft hatte, druckste herum. »Na, kommen Sie, spucken Sie’s aus!«, bellte der Alte.
»Es geht um Miss Falconleigh, Sir.«
»Das wurde ja auch höchste Zeit! Nun, was ist mit ihr? Ist nach Sussex zurück, um die de Balforts im Auge zu behalten, oder?«
»Ja, Sir, aber eigentlich ist es etwas anderes …«
»Was denn, Mann? Wir haben Krieg, falls Sie es noch nicht bemerkt haben! Wir können nicht den ganzen Tag vertrödeln.«
»Sie ist durchgebrannt, Sir.«
»Ha! Hat die Anweisungen befolgt und diesen Hugo geheiratet, was? Hervorragend! Wusste doch, dass wir uns auf sie verlassen können!«
»Also, ähm, nein. Wie es scheint, hat sie den Dorfpfarrer geheiratet. Äh, unsere Miss Falconleigh ist nun Mrs. Hammet. Äußerst unangenehm, Sir. Hugo de Balfort kann sie nun natürlich nicht heiraten.«
Der Alte machte keinen Hehl aus seiner Wut und verbrachte die nächste Viertelstunde damit, mit Kraftausdrücken nur so um sich zu schleudern. Auch die Mitteilung, Mrs. Hammet habe gesagt, der Pfarrer sei damit einverstanden, ihre Heirat geheim zu halten, beschwichtigte ihn nicht. Ob sie nun verheiratet war oder nicht: Jedenfalls konnte sie nicht so weitermachen wie bisher, während sie auf ihren Einsatz in Frankreich wartete.
30
Crowmarsh Priors,
September 1942 und später
»Himmel, was machst du denn hier?« fragte Elsie entgeistert. Sie war gerade auf ihre und Bernies Seite des Dachbodens zurückgekehrt und fand dort ihre Schwester, die einen schäbigen Koffer auspackte. Agnes’ Sachen lagen überall verstreut. »Du solltest doch eigentlich in Yorkshire sein. Evakuiert.«
Mürrisch sah Agnes auf. Sie war groß geworden, ihr Rock und die Strickjacke waren mehrere Nummern zu klein. »Freust du dich denn gar nicht, mich zu sehen?«
»Klar freu ich mich«, sagte Elsie. »Schließlich bist du meine Schwester. Seh sich das einer an, du bist ja größer als ich.«
»Na, ich bin fünfzehn und da gibt’s keinen Platz mehr für mich bei den Evakuierten, stimmt’s? Und die Leute in Yorkshire, die sind geschnappt worden, richtig? Sie hatten nur mich und die Zwillinge, aber auf den Formularen haben sie gesagt, sie haben sechs Evakuierte, damit sie mehr Geld kriegen. Also hat der Richter sie ins Gefängnis gesteckt. Geschieht ihnen recht.«
»Aber …«
»Dann haben sie uns zu ’ner anderen Unterkunft geschickt, mich und die Zwillinge, aber da war’s eh schon viel zu voll und es war schrecklich. Sie haben mir gesagt, dass du verheiratet bist und alles. Ich lass mich in keine Unterkunft mehr stecken, hab ich gesagt.Den Zwillingen gefällt’s auch nicht. Kann ich bei dir bleiben? Dieses Haus ist doch bestimmt größer als der Buckingham Palace, hier ist genug Platz für mich und die Jungs.«
»Tja, mal sehen, was wir mit den Jungs machen, aber … klar kannst
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