Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
verdoppelte seine Anstrengungen, »Manfred« an der Südküste aufzuspüren. Nachdemein panischer Bericht eingegangen war, dass zwei deutsche Piloten entkommen waren, deren Flugzeug über Kent abgeschossen wurde, waren alle
Auxi
-Agenten in Südengland in Alarmbereitschaft. Einer der Piloten war vermutlich ein hochrangiger Angehöriger der SS, der den Auftrag hatte, Churchill und den König umzubringen. Solche Nachrichten kursierten bereits seit Beginn des Krieges und hatten sich immer als falsch erwiesen, doch man konnte sie nicht ignorieren, solang die Invasion eine reale Gefahr darstellte.
Der militärische Geheimdienst hatte eine umfassende Liste möglicher Angehöriger der fünften Kolonne zusammengestellt. Dazu gehörten Leute, von denen man wusste oder vermutete, dass sie Verbindungen nach Deutschland hatten oder mit den Nazis sympathisierten und deutschen Agenten oder Spionen Unterschlupf gewähren würden. An der Zuverlässigkeit dieser Liste herrschten berechtigte Zweifel. Sie unterschied nicht zwischen denjenigen, die vor dem Krieg bekanntermaßen prodeutsche oder sogar pronationalsozialistische Verbindungen gepflegt oder an den von Oswald Mosley organisierten Aufmärschen teilgenommen hatten, und Menschen wie Alice Osbournes Vater, der zu seiner Studienzeit zweimal nach Deutschland gereist war und auf dem Oktoberfest mit deutschen Studenten Bier getrunken hatte, von denen einige inzwischen zu prominenten Nazigrößen avanciert waren.
Der kleine Mann, der das Vorstellungsgespräch mit Frances geführt hatte, trug ihr mit düsterem Blick auf, die Überwachung in ihrer Gegend zu intensivieren. »Wir wissen, dass der dort ansässige Landadel vor dem Krieg die unterschiedlichsten Leute zu Wochenenden auf dem Land einlud. Dazu gehörten auch ihre Freunde vom Kontinent und wir wissen, dass unter den Gästen einige Nazis waren. Sie hätten diese Besuche problemlos nutzen können, um die Gegend zu erkunden und Informationen zu sammeln, die bei einer deutschen Invasion von großem Nutzen wären. Eine bessere Gelegenheit, den Bereich an der Küste zu fotografieren, wo jetzt unsere Verteidigungsanlagen aufgebaut sind, gab es kaum. Sie wissenja, wie das funktioniert:
Wie wär’s mit einem Spaziergang vor dem Tee? Wunderbare Küstenlandschaft! Ich glaube, ich mache mal ein paar Fotos, Fotografieren ist ein Hobby von mir.
Für den Moment müssen Sie nur die Augen nach allem offen halten, was irgendwie verdächtig erscheint. Auch wenn Sie nichts finden, sparen wir viel Zeit, wenn wir Verdächtige von der Liste streichen können.«
Dummerweise hatte Frances durchblicken lassen, dass Hugo de Balfort ihr einen Heiratsantrag gemacht und sie ihn abgewiesen hatte. Ihre Vorgesetzen witzelten: »Wahrscheinlich heiratet sie ihn doch irgendwann – gesellschaftlich ebenbürtig, passt doch ausgezeichnet, auch wenn sie sich beklagt, dass er verdammt hartnäckig ist und sich mit ihrer Antwort nicht zufriedengibt. Wir lassen sie Gracecourt weiterhin überwachen, dann können wir die de Balforts gleich von unserer Liste streichen und sie liegt uns nicht länger damit in den Ohren, dass sie nach Frankreich geschickt werden will.«
Da die
Auxis
im Süden nicht allzu zahlreich vertreten waren, sollte Frances ihre Überwachung auf einen größeren Bereich ausdehnen. Ihr Komitee zum Wohle der landwirtschaftlichen Helferinnen war dafür die perfekte Tarnung. »Manfred ist irgendwo dort unten«, mahnte der kleine Mann. »Wir müssen diesen ländlichen Bereich gründlich durchkämmen.«
Und dann war Hugos Heiratsantrag plötzlich kein Witz mehr, wie Frances entgeistert feststellte. Der Alte war der Ansicht, dass die Ehe mit ihm die ideale Tarnung wäre. In Frances’ Augen glomm jenes gefährliche Glitzern auf, das ihr Vater nur allzu gut kannte. Sie würde weiterhin in Sussex bleiben, sagte sie, aber sie würde Hugo
auf keinen Fall
heiraten. Sie könne sich ja später einfach wieder von ihm scheiden lassen, versuchten sie sie zu besänftigen. Der Alte hatte es nicht gern, wenn man ihm einen Strich durch die Rechnung machte.
Zunächst fand Frances die Vorstellung absurd, dass man sie zu einer Ehe mit Hugo zwingen könnte. Dann wurde ihr etwas anderes klar: Sie war in Oliver Hammet verliebt.
In einem Punkt war sich Frances ganz sicher: So sehr Oliver sie auch mochte – und er mochte sie, das spürte sie – und so viele unbedeutendekirchliche Vorschriften er in der letzten Zeit auch umgangen hatte, er war und blieb ein Mann der
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