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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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es der patenten Penelope gelungen, Alice eine Stelle beim
Women’s Voluntary Service
zu beschaffen. Eine Unterkunft hatte sie auch ausfindig gemacht: Sie konnte bei zwei älteren Schwestern wohnen, die im Obergeschoss ihres Hauses am Connaught Square ein Zimmer frei hatten. Und Penelope hatte sogar jemanden gefunden, der ihren Platz in der Schule einnahm, eine Frau mittleren Alters, die vor ihrer Heirat als Lehrerin gearbeitet hatte. Ihr Mann war bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen – in derselben Nacht, in der Mrs. Osbourne und viele andere Menschen gestorben waren, wie Alice erfuhr. Penelope, die nie jammerte, war aufgewühlt genug, um Alice von einem schrecklichen Erlebnis zu erzählen. Die Sirenen hatten geheult und in der U-Bahn-Station im East End, in der sie Dienst tat, hatte es ein fürchterliches Unglück gegeben. DiePolizei hatte versucht, mehr Menschen in den U-Bahn-Schacht zu treiben als hineinpassten, und viele Schutzsuchende waren im Gedränge zu Tode gekommen. In den Zeitungen stand allerdings nichts darüber: Die Behörden wollten nicht, dass über den Vorfall berichtet wurde, weil man befürchtete, dass die Menschen dann die Luftschutzräume meiden würden.
    Alice fragte sich, wie so viel Traurigkeit in der Welt sein konnte.
    Als die ersten Bomben auf die Downs fielen, lag Tanni im Bett und machte sich schreckliche Sorgen um Lili und Klara. Doch dann kamen die Flugzeuge immer näher und sie konnte nur noch daran denken, wie sie fünf schlaftrunkene Kinder in den Keller bekommen sollte. In ihrer Panik hatte sie Anna und auch Johnny auf den Arm genommen. Als Evangeline zurückkehrte, hatten bei Tanni die Wehen eingesetzt. Schwester Tucker kam so schnell sie konnte, doch es war zu spät. Tanni hatte ein weiteres kleines Mädchen zur Welt gebracht, das einen einzigen Schrei ausgestoßen hatte und dann in den Armen seiner Mutter gestorben war. Schwester Tucker nahm ihr sanft den kleinen Leichnam ab und sagte, wie leid es ihr tat. Tanni schien die traurige Nachricht gar nicht zu erfassen. Sie weinte nicht und zeigte auch sonst keine Gefühlsregung. Schwester Tucker machte es Tanni so bequem wie möglich und erklärte dann, dass sie vermutlich unter Schock stehe. Manchmal verdrängten Menschen entsetzliche Dinge ganz und gar aus ihrem Gedächtnis.
    Am nächsten Morgen wirkte Tanni immer noch erschreckend teilnahmslos. Evangeline versuchte verzweifelt, Rachel und die Cohens in London zu erreichen, um ihnen von Tanni, dem Baby und den Bomben zu erzählen, doch als sie schließlich eine Verbindung bekam, sagte ihr die Telefonistin, dass es wieder schwere Bombenangriffe im East End gegeben habe und viele Vermittlungsstellen nicht funktionierten. Sie wollte auch Bruno benachrichtigen, aber außer Tanni wusste niemand, wo er war. Tanni glitt immer wieder in einen betäubten Schlaf und schien sich nicht mehr zu erinnern. Die überarbeitete Schwester Tucker warzu anderen Notfällen gerufen worden und Frances war nicht da, sodass Evangeline, Alice und Elsie hilflos und verängstigt allein zurechtkommen mussten.
    Aschfahl im Gesicht versuchten sie zu entscheiden, was mit dem Baby geschehen sollte, dessen winziger Körper in eine Leinenserviette gewickelt im kalten Esszimmer lag. »Wir müssen etwas tun.«
    Als es dämmerte, versammelten sie sich schließlich um Tannis Bett. Evangeline beugte sich über sie und sagte sanft: »Tanni, Schatz, es tut uns allen so leid, aber wir müssen das arme kleine Baby beerdigen. Ich weiß, es ist schwer für dich, aber wenn du kannst, dann sag uns, ob es irgendetwas Besonderes gibt, das wir für ein jüdisches Baby tun müssen. Hat sie einen Namen? Constable Barrows hat gesagt, dass er einen Sarg und einen kleinen Gedenkstein macht.«
    »Welches Baby?«, flüsterte Tanni. Dann lag sie still da und starrte an die Decke, während sich ihre Lippen lautlos bewegten. Sie wollte nichts essen und auch nicht sprechen, weder mit ihnen noch mit Schwester Tucker, die mit grauem, müdem Gesicht gekommen war, um nach ihr zu sehen. Tanni konnte unmöglich aufstehen und an der Beerdigung teilnehmen, meinte Schwester Tucker. Sie stürzte eine Tasse Tee hinunter und sagte, sie müssten allein zurechtkommen, so gut es eben ging.
    Der nächste Tag verging und noch immer gab es keine Verbindung zu den Cohens. Schließlich ging Evangeline ins Pfarrhaus und sagte Oliver, dass sie das Baby beerdigen müssten, auch wenn sie Bruno nicht ausfindig machen konnten. Wusste er von irgendwelchen

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