Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
besonderen Riten, die sie beachten sollten?
Oliver rief den Bischof an, der versprach, sich nach einem Rabbi umzuhören. Er fand einen in Portsmouth, wo es heftige Bombenangriffe gegeben hatte, sodass der Rabbi alle Hände voll zu tun hatte. Er würde trotzdem versuchen, nach Crowmarsh Priors zu kommen, sagte er, doch bei den Benzinrationierungen und den ungewissen Busverbindungen könnte es eine Weile dauern. Der Rabbi hatte außerdem gesagt, dass eine jüdische Beerdigunginnerhalb von vierundzwanzig Stunden nach dem Tod stattfinden musste. Der Bischof sagte Oliver, es tue ihm leid, doch da es sich nicht um das Kind christlicher Eltern handele, denke er nicht, dass Oliver irgendetwas tun könne. Ausnahmsweise warf Oliver wütend den Hörer auf die Gabel.
»Was sollen wir nur tun?«, fragten sich die jungen Frauen müde, als sich der Nachmittag dem Ende zuneigte. Sie versammelten sich wieder um Tannis Bett. »Tanni, wir dachten, wir begraben sie am äußersten Ende des Gartens, wo noch ein paar Rosenbüsche stehen und diese komische alte Sonnenuhr. Schätzchen, kannst du uns wenigstens sagen, ob du damit einverstanden bist?«
Tanni blieb stumm.
Von Bruno, Rachel oder den Cohens gab es nach wie vor keine Nachricht.
»Wie lang können wir noch warten?«, fragten sie sich, als es dunkel wurde. »Das Begräbnis soll eigentlich innerhalb von vierundzwanzig Stunden stattfinden und die sind schon vorbei.«
»Wir müssen dem armen Kind einen Namen geben«, sagte Alice. »Wir können sie nicht ohne einen Namen beerdigen.«
»Was haltet ihr von ›Rebecca‹?«, schlug Evangeline vor.
Am nächsten Tag, etwas mehr als achtundvierzig Stunden nach Rebecca Zaymans Geburt, standen Alice, Evangeline, Elsie, Bernie, Oliver, Agnes, die Barrows und die Hawthornes im kalten Licht der Morgendämmerung an ihrem kleinen Grab. Constable Barrows trat einen Schritt vor, beugte sich nieder und legte einen glatten Stein mit der Aufschrift »Rebecca Zayman, 28. September 1942« darauf. Oliver verlas den dreiundzwanzigsten Psalm und bat sie, für Tanni und Bruno zu beten. Den Frauen liefen Tränen über das Gesicht. Niedergeschlagen und voller Sehnsucht nach Frances neigte Oliver den Kopf.
Oliver hatte verzweifelt versucht, Bruno aufzuspüren, war dabei jedoch auf eine Mauer aus Bürokratie gestoßen. Das Einzige, was man ihm sagen konnte, war, dass er »verhindert« sei. Es dauerte fünf Tage, bis er ihn schließlich erreichte. Bruno sagte, er werde sofort kommen. Schon ein paar Stunden später war er da und eiltesofort in Tannis Zimmer. Dann verbrachte er über eine Stunde am Ende des Gartens. Er kam mit rot geweinten Augen zurück und sagte, dass er unter diesen Umständen keine andere Wahl habe, als Tanni in ein Sanatorium zu bringen, bis es ihr wieder besser gehe. In der Nähe seines Stützpunktes gab es eine Klinik, sodass er sie oft besuchen konnte.
Evangeline half ihm, sie anzuziehen. Sie packte einige von Tannis Sachen in die alte Reisetasche und wollte gerade fragen, ob Anna und Johnny ein paar Wochen bei den Cohens bleiben könnten, wenn ihr eigenes Baby da war, doch Bruno zog sie aus Tannis Zimmer und erzählte ihr die traurigen Neuigkeiten. Die Cohens, Rachel und ihr Mann und die beiden Kinder, waren bei einem Unfall in einem Luftschutzraum ums Leben gekommen. Die Polizei hatte zu viele Menschen zu schnell die Treppen hinuntergetrieben, in der Menge hatte sich Panik ausgebreitet und viele Leute wurden im Gedränge zu Tode gequetscht.
»Oh, Bruno, wie schrecklich!«, sagte Evangeline. Es musste derselbe Vorfall sein, den Penelope miterlebt hatte. Sie sagte nichts wegen Johnny und Anna, obwohl sie sich fragte, wie sie mit fünf Kindern und einem Neugeborenen zurechtkommen sollte. Und ganz sicher würde sie Bruno nichts davon erzählen, was vermutlich mit Lili und Klara passiert war. Er hatte schon genug Sorgen.
Die jungen Frauen umarmten die teilnahmslose Tanni zum Abschied. »Werd gesund, Schätzchen«, flüsterte Evangeline. Dann legte Bruno den Arm um seine Frau und führte sie zum Auto. Sie winkten traurig, als der Wagen mit Bruno und Tanni davonfuhr.
Die Umbauarbeiten in Glebe House waren endlich abgeschlossen und die Ärzte hatten Evangeline gesagt, dass Richard verlegt werden könne. Sein Zustand hatte sich ein wenig gebessert: Die meisten Verbände waren abgenommen worden und zur Überraschung aller konnte er auf einem Auge wieder sehen. Als er ankam, erschien Hugo zu Besuch. Richard saß inzwischen in einem
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