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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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Strahl und dann einer ganzen Kaskade. Es blieb ihr nichts anderes übrig, sie musste umkehren. Bald würde die Flut die Höhle überschwemmen und durch die Geröllwand in den Gang sickern. Sie konnte das Wasser bereits auf der anderen Seite hören.
    Als sie die Steinstufen erreichte, hatte sie nicht mehr die Kraft, sich hochzuziehen. Was würden sie Tanni sagen? In ihrer Verzweiflung beschloss Frances, zunächst Rachel anzurufen, bevor sie mit Tanni sprachen. Sie klammerte sich an Strohhalme, doch vielleicht war es heute tatsächlich wieder falscher Alarm gewesen. Sie griff das Seil und begann, langsam hochzuklettern. Auf halber Strecke hörte sie Elsie ihren Namen rufen.
    Bernie beugte sich vor und zog sie die letzten Stufen hinauf. Oben angekommen, brach sie auf dem Boden zusammen. Tief unten im Tunnel hörten sie ein Grollen und wussten alle drei, was es bedeutete: Der Tunnel war eingestürzt. »Danke, oh, Elsie, da war ein Erdrutsch und ich hab es nicht geschafft … sie waren nicht … oh, Gott!« Frances begann zu weinen. In der Ferne hörten sie Constable Barrows rufen. Elsie und Bernie liefen zu ihm, um zu sehen, was es gab, und um ihn vom Tunnel fernzuhalten. Als Frances sich beruhigt und sich die Nase geputzt hatte, kam ihr ein Gedanke. Sie ging nach Hause und wählte die Geheimnummer, die man ihr gegeben hatte.
    »Irgendetwas stimmt hier nicht. Ich bin mir nicht sicher, was hier vor sich geht, aber möglicherweise hat es mit Manfred zu tun. Ich komme morgen und erkläre Ihnen, was ich meine.« Mehr sagte sie nicht. Am nächsten Tag, noch bevor die anderen aufgestanden waren, legte sie einen Zettel auf den Küchentisch: Das Komitee zum Wohle der landwirtschaftlichen Helferinnen hatte sie zu einem Treffen nach London beordert.

31
    Crowmarsh Priors,
    November bis Dezember 1942
    Das hässliche kleine Haus oben auf dem Hügel, in dem Alice und ihre Mutter gewohnt hatten, war fast leer. An einem trostlosen Novembernachmittag saß Alice allein in dem kahlen vorderen Schlafzimmer, wo die Verdunkelungsvorhänge schlaff herunterhingen, und verpackte die letzten Habseligkeiten ihrer Mutter. In der Nacht, in der die Deutschen die St.-Gabriel-Kirche bombardiert hatten, war sie so schnell sie konnte nach Hause gefahren, doch sie kam zu spät. Sie lief in das dunkle stille Haus und fand ihre Mutter im Bett, die Decken bis zum Kinn hochgezogen, tot, das Gesicht zu einer Grimasse des Schreckens erstarrt. Was, ja, was hätte wohl ihr Vater dazu gesagt? Alice wusste, dass sie sich ihren Tod nie verzeihen würde.
    Im Schock war sie zurück zur Haustür gestolpert und hatte gesehen, dass die Kirche brannte. Die Sakristei, dachte sie, musste eine Zunderbüchse aus trockenem Holz und Priestergewändern gewesen sein. Die Bombe hatte das Pfarrhaus knapp verfehlt und vielleicht war Oliver … Dann wurde ihr das ganze Ausmaß der Katastrophe klar. Sie wusste, dass der Tunnel eingestürzt war.
    Danach war Alice lange Zeit wie betäubt. Das waren sie alle. Sie ging zwar weiterhin in die Schule und erledigte auch ihre Kriegsarbeiten, doch sie sah darin keinen Sinn mehr. Nun leerte siemechanisch die Schränke und Schubladen ihrer Mutter. Sie kam nur langsam voran, immer wieder musste sie die Arbeit unterbrechen, weil sie anfing zu weinen. Arme Mummy. Arme Kinder.
    Doch nun war sie fast fertig. In den letzten Karton legte sie ein paar gestopfte Nachthemden und zwei Morgenmäntel mit zerschlissenen Satinmanschetten, einige Muscheln, die ihre Eltern auf ihrer Hochzeitsreise gesammelt hatten, eine halb leere Büchse mit Talkumpuder, eine Sammlung Gebetbücher, ein paar Spitzendeckchen. Den Hut mit den Federn. Als sie den Karton mit einer Kordel verschnürte, dachte Alice, dass auch sie eines Tages allein in irgendeinem kargen Schlafzimmer sterben und nichts weiter als ein paar verblasste Erinnerungsstücke eines Lebens zurücklassen würde, das sogar noch bedeutungsloser war als das ihrer Mutter.
    Sie setzte sich auf die Matratze. Die Trennung vom Pfarrhaus war ihr schwergefallen, weil es ihr Zuhause gewesen war, doch wenn sie sich in diesem trostlosen Zimmer umsah, spürte sie gar nichts. Gleich nach Weihnachten würde sie nach London gehen. Immer, wenn sie die arme St.-Gabriel-Kirche sah, dachte sie an die glücklichen Stunden, die sie dort verbracht hatte. Nun war die Kirche zerstört und Richard lag verwundet in einem Krankenhaus in London. Es war Zeit, Crowmarsh Priors hinter sich zu lassen.
    Dank ihrer zahlreichen Kontakte war

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