Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
Hundegebell und das Vieh, Eulen, Grillen. Vermissen Sie das Leben auf dem Land?«
»Ich hätte nie gedacht, dass ich es vermissen würde. Als meine Mutter starb, konnte ich nicht schnell genug wegkommen und mir andere Kriegsarbeit suchen. Ich war Lehrerin und wollte mehr mittendrin sein, einen aktiveren Beitrag leisten. Oh, ich weiß nicht, was ich wollte.«
»Sind Sie verheiratet?«, fragte Joe unvermittelt. »Oder verlobt oder einfach in einen Burschen in der Armee verliebt?«
»Oh! Also …« Ach, warum sollte sie um den heißen Brei herumreden, dachte Alice. »Nein, ich bin nicht verheiratet. Ich sollte heiraten, doch der Mann, mit dem ich verlobt war, ist nach Amerika gefahren und als er wiederkam, war er mit einer anderen Frau verheiratet. Das kam für mich völlig überraschend und war damals ziemlich schrecklich. Seine Mutter hat mir die Stelle beim WVS besorgt. Tja, und nun bin ich hier.«
»Gut für mich«, meinte Joe. Er legte seinen Arm ein bisschen fester um ihre Schultern. »Weil ich Sie kennenlernen konnte. Ich hatte überlegt, ob es einen anderen gibt, und Sie deshalb nicht gesagt haben, ob Sie morgen mit mir essen gehen. Und damit Sie es gleich wissen«, sagte er und rückte ein wenig näher, »ich bin nicht verheiratet. Aber wenn mir dieser Krieg eines klargemacht hat, dann dass ich es gern wäre. Jedes Mal, wenn man mit dem Flugzeug in die Luft steigt, denkt man, vielleicht komme ich diesmal nicht zurück. Viele Piloten sind nicht zurückgekehrt. Ich will nicht sterben, ohne ein Kind auf der Welt zurückzulassen. Und da, wo ich herkomme, gehören Heiraten und Kinder zusammen. Und als ich ein langbeiniges, hübsches Mädchen fand, das wie ich in die Kirche geht, da dachte ich so bei mir: Vielleicht will der liebe Gott mir sagen: Verschwende keine Zeit, Joe, sie ist es …«
Er wandte ihr das Gesicht zu, das ganz nahe an ihrem war. Alice wollte eigentlich sagen, dass das alles ein bisschen schnell ging, doch etwas in ihr wusste, dass sie besser den Mund hielt, die Augen schloss und
sich nicht bewegte
. Joe küsste sie, auf eine nette Art, die ihr die Möglichkeit ließ, sich wegzudrehen, wenn sie es wollte, aber es war trotzdem ein durchaus ernst gemeinter Kuss. Alice war ein wenig atemlos und fragte sich, ob er sie für ein schamloses Flittchen hielt, weil sie nicht aufhören konnte, seine Küsse zu erwidern.
Stunden später kam ein müder Luftschutzwart nach seinem Dienst an der Bank vorbei, auf der Alice und Joe saßen. Er sah, wie sie sich aneinanderschmiegten und lachten, sich an den Händen hielten und sich miteinander wohlfühlten. Verliebte, ganz eindeutig. Er sah, wie die junge Frau gähnte und hörte sie sagen: »Also, morgen Abend um acht. Jetzt muss ich aber wirklich reingehen.« Aber dann rührte sie sich nicht von der Stelle.
Der Luftschutzwart schlug den Mantelkragen hoch, weil es angefangen hatte zu nieseln, und lächelte zum ersten Mal an diesem Tag. Viel Glück den beiden, dachte er, viel Glück uns allen.
Drei Tage später, am Montag, klingelte das Telefon in der Diele der Fairfax’.
»Evangeline, ich kann nicht lang sprechen, aber rate mal, was passiert ist? Ich werde heiraten. Danke. Nächsten Montag … Einen amerikanischen Piloten … Ja, das kommt ziemlich plötzlich … aus Georgia. Ich glaube, so heißt das. Nach dem Krieg werde ich dort leben. Kennst du die Gegend? Wenn wir uns das nächste Mal sehen, musst du mir zeigen, wo das auf der Karte liegt … Wirklich sehr, sehr glücklich … Was? Was ist passiert? Ich kann dich nicht gut hören, Evangeline … Letzten Sonntag abgebrannt? Gracecourt? Schon wieder eine Bombe? Oh, die Köchin war schuld … Ich wette, sie ist zu ihrer Schwester gefahren und hat irgendetwas auf dem Herd stehenlassen … Sir Leander ist tot! Oh, wie schrecklich, der arme, alte Mann. Und Hugo? … Verstehe. Ja, ich werde ihm ganz bestimmt ins Krankenhaus schreiben. Unfassbar. Du wirst es Frances erzählen, ja? Ich habe schon so oft versucht, sie anzurufen, aber ich erreiche sie nicht … Schon wieder in London? Du hast sie seit dem Brand nicht gesehen? … Also, wenn du sie siehst, sag ihr, dass sie mit dem Kosmetikkoffer recht hatte. Ich nehme ihn in die Flitterwochen mit und denke an sie. Wiederhören, Evangeline.«
Alice legte auf. Noch mehr schlechte Nachrichten! Sie straffte die Schultern. Sie konnte es kaum abwarten, Joe zu heiraten und nach Amerika zu gehen. In einer schönen neuen Welt würde ihr Leben ganz
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