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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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Schwäche zu zeigen. Sie mussten mit gutem Beispiel vorangehen und weitermachen. Sie sei einfach müde, sagte sie leise zu dem Flieger. Sie waren alle müde – Ellen, Judy und auch der Pfarrer. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie tröstlich es sich anfühlte, in der Dunkelheit den Arm eines Mannes um ihre Schultern zu fühlen. Sie zitterte.
    »Ich habe hier noch kein Mädchen getroffen, das aus der Bibel zitieren kann«, sagte er ihr ins Ohr.
    Aus der Anzahl der blendend weißen Zähne, die sie in der Dunkelheit erkennen konnte, schloss sie, dass er lächelte. Er hatte eine seltsame Art zu sprechen, so als habe er es nicht eilig damit, das zu sagen, was er sagen wollte. »Wie bitte?«, sagte sie.
    »Sie haben gerade
Sorget euch nicht um den morgigen Tag, denn der morgige Tag wird für sich selber sorgen
gesagt.«
    »Tatsächlich?« Ihre Kollegin Ellen hatte sie schon mehrmals darauf hingewiesen, dass sie Selbstgespräche führte. Ich werde langsam aber sicher zu einer bitteren Exzentrikerin wie Mummy, dachte sie. Diese Erkenntnis lastete wie eine weitere Kriegsarbeit auf ihren Schultern. »Nun, das war jedenfalls knapp. Aber wir sollten uns glücklich schätzen. Denken Sie nur an diejenigen, die nicht so glimpflich davongekommen sind.« Sie hatte sich Mühe gegeben, forsch zu klingen – warum war ihre Stimme so zittrig?
Tief durchatmen, mein Mädchen. Du hast es fast geschafft
, versuchte sie sich zu ermuntern.
    »Fast wären wir diejenigen gewesen, die nicht so glimpflich davongekommen wären, Ma’am«, sagte er auf seine langsame Art. Das »Ma’am« klang respektvoll, doch sein Arm lag immer noch um ihre Schultern. Er fühlte sich gut und stark an. So schwach, wie sie sich fühlte, beschloss Alice, ihn noch einen Moment dort liegenzulassen,nur solang, bis sie aufhörte zu zittern und ihre Gedanken geordnet hatte. Doch das Zittern hörte einfach nicht auf.
    Der Mann legte auch seinen anderen Arm um sie und hielt sie fest. »Ist schon in Ordnung«, sagte er. »Ihr Engländer seid wirklich ein seltsames Völkchen. Diese Rakete hat mir einen Höllenschrecken eingejagt und ich bin bei der Air Force. Sie sind nur eine Frau und Frauen dürfen sich fürchten. Ich wette, Sie haben so etwas schon oft erlebt, seit der Krieg begonnen hat, und trotzdem versuchen Sie immer noch, so zu tun, als wäre alles ganz normal. Das eben war nicht normal, aber jetzt ist alles okay.«
    Nach kurzer Zeit wurde das Zittern schwächer und Alice genoss es, dass der Mann neben ihr sich warm und solide anfühlte. Dann dachte sie daran, dass Amerikaner einen schockierenden Ruf hatten, sie durfte keinesfalls irgendwelche Annäherungsversuche zulassen. Wahrscheinlich war er sowieso verheiratet. Erst Richard und nun dieser Mann … der nett zu sein schien. Alle waren sie verheiratet. Alice seufzte, unterdrückte das aufkeimende Selbstmitleid und fing an, sich Glassplitter aus den Haaren zu klauben. Sie schniefte und irgendetwas spritzte auf ihre Jacke.
    »Sie bluten ja«, sagte der Flieger. »Halten Sie mal still.« Er holte sein Taschentuch hervor und hielt es ihr an die Nase.
    »Das ist nur Nasenbluten – ich bin nicht kriegsversehrt«, wollte sie eigentlich in forschem Ton sagen. Stattdessen stammelte sie: »Danke! Oh, nein! Ihre Uniform ist voller Blut!« Sie wünschte inständig, der Boden würde sich unter ihr auftun und sie mitsamt ihrer blutenden Nase verschlingen. Erst die Raketen und jetzt auch noch das! Da bot sich ihr die erste Gelegenheit seit einer halben Ewigkeit, mit einem attraktiven Mann zu reden, und sie hatte nichts Besseres zu tun, als ihm die Jacke zu ruinieren!
    Nun grinste er. »Kein Problem. Weinen Sie sich nur richtig aus, wenn Sie wollen. Machen Sie ruhig, ich bin das gewohnt. Frauen fühlen sich immer besser, wenn sie mal ordentlich geweint haben, wenigstens sagen meine Schwestern das. Und ich habe fünf davon. Da gibt’s oft Tränen, eine von ihnen muss sich immer irgendwas von der Seele weinen. Ich bin Joe Lightfood, U.S. Air Force.« Ertunkte sein Taschentuch in das Wasser aus dem Heißwasserkanister und reichte es Alice. Und Sie?«
    »Oh. Ja.« Schnief. »Guten Abend.« Schnief. Alice wischte sich das Gesicht ab und tupfte ihre Nase sauber. »Ich bin Alice Osbourne,
Women’s Volunteer Service
. Wie lang sind Sie schon in England?«
    »Seit sechs Monaten. Ich fliege einen Bomber, Tagesluftangriffe über Deutschland, hab bei der Invasion am D-Day geholfen. Hab ganz gut zu tun. Dieses Wochenende hab ich frei,

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