Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
interessiert sich dafür, außer diesem Typen aus Amerika, Investmentbanker, der nach London zieht. Seine Frau will es unbedingt haben, sie besteht auf einem Haus mit Garten und einem Park in der Nähe. Muss das Eisen schmieden, solang es heiß ist. Wir sind ja früh dran, ich denke, ich vertrete mir noch ein bisschen die Beine. Vielleicht steht irgendwo ein Wochenendhäuschen zum Verkauf. Ich versteh zwar nicht, was die Leute damit wollen – was soll man denn hier auf dem Land? Und dann noch an einem Wochenende! Aber sie gehen weg wie warme Semmeln.«
»Halt die Augen nach Tante Agnes und Onkel Ted offen«, murmelte Lady Carpenter durch ihre Puderquaste.
Graham machte auf dem Absatz kehrt. Das Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Verdammt, Oma! Du hast doch wohl den Roten Ted nicht eingeladen! Du weißt doch, wie er ist, und Agnes ist noch schlimmer. Sie trinken zu viel und fallen über das Essen her, als wäre es das letzte Mahl, das sie in diesem Lebenkriegen. Und dann zwingt Ted jedem, der sich nicht schnell genug davonmacht, ein Gespräch über die Labour-Partei auf und wie sie die Arbeiterklasse verrät. Agnes nervt die Leute mit irgendwelchen hirnrissigen Petitionen, die sie unterschreiben sollen, und zusammen treiben sie die Caterer in den Wahnsinn, weil sie unbedingt wissen wollen, ob sie in der Gewerkschaft sind. Ich hoffe, du hast ihnen gesagt, dass sie keine Flugblätter für die sozialistischen Arbeiter verteilen sollen oder was sie sonst unters Volk bringen, um den Klassenkampf anzuheizen. Und der fette Trotzki wird …«
»Er heißt nicht Trotzki, er heißt Leo«, warf seine Großmutter ein und fegte sich ein Insekt von der seidenen Schulter. »Das mit den Flugblättern habe ich ihnen eingeschärft, aber du kennst doch Tante Agnes … sie hat das alles nicht verkraftet. Ich musste sie heute einfach einladen. Blut ist immer noch dicker als Wasser. Das bin ich Mum schuldig.«
»Ich hoffe nur, dass sie keines ihrer verdammten Spruchbänder ausrollen und in die Fernsehkameras halten.« Graham setzte seine Sonnenbrille auf und schlurfte verdrossen davon.
Lady Carpenter ließ ihre Puderdose zuschnappen. Etwas, das Graham am Telefon gesagt hatte, ging ihr nicht mehr aus dem Sinn – es hatte mit diesem Haus in London zu tun. Was war es noch? Ein Puzzleteil, das noch fehlte, selbst nach all den Nachforschungen, die der Privatdetektiv unternommen hatte. Sie und Bernie hatten immer und immer wieder versucht herauszufinden, was es war. Dann sagte sie laut: »Ich frage mich, ob …« Sie schob das Mikrofon beiseite, das Katie ihr unter die Nase hielt, und stieg wieder in ihren Wagen. Sie rief ihre Sekretärin in London an und gab ihr den Auftrag, mehr über das Gebiet um das Haus herauszufinden, das Graham zu verkaufen versuchte, und über den Kanal, den er erwähnt hatte.
Graham ging langsam an dem Mädchen vorbei, das Albert Hawthorne begleitete. Sie hatte einen ihrer Ballerinaschuhe ausgezogen, lag auf dem Bauch und las. Dabei schlenkerte sie einen gebräunten Unterschenkel und einen nackten Fuß mechanisch hin und her.
Verzweifelt sah Katie sich nach jemandem um, den sie interviewen konnte.
Ein zerschrammtes Flughafentaxi kam hinter dem silberfarbenen Mercedes zum Stehen. Lady Carpenter sah auf ihre kleine diamantenbesetzte Armbanduhr. Bernie hatte sie ihr zu ihrem letzten gemeinsamen Weihnachtsfest geschenkt. Es war kurz nach zehn Uhr. Hoffentlich waren bald alle hier. Sie hatten so viel zu besprechen. Lady Carpenter holte gerade einen letzten Gegenstand, eine lederne Aktenmappe, vom Rücksitz ihres Wagens, als der Fahrer einer stämmigen, in fließenden schwarzen Strickstoff gehüllten Frau aus dem Taxi half. Ihre Füße waren so geschwollen, dass sie über den Rand ihrer Schnürsandalen quollen. Der Fahrer griff noch einmal in den Wagen, um ihren Gehstock herauszuholen. Ihr graues Haar löste sich aus einem unordentlichen Knoten. Sie sah erhitzt aus und schien sich unbehaglich zu fühlen. Nach ihr stiegen zwei Teenager mit McDonald’s-Bechern aus – ein Junge in einem T-Shirt und mit einer Kippah auf dem Kopf und ein dunkelhaariges Mädchen in Jeans, Sandalen und einer Baseballkappe. Die beiden zankten sich auf Hebräisch, während die Frau eine große Handtasche auf ihrem Arm zurechtrückte und ihre Kleider glatt strich. Sie stützte sich schwer auf ihren Stock, als sie auf Lady Carpenter zuging. Die beiden Teenager folgten ihr. Das Mädchen nahm die Baseballkappe ab und Lady
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