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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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einem rot-weiß gestreiften Hemd, dunkelblauem Blazer und grell gemusterter Krawatte an. Vom Cockney-Akzent ihrer Jugend fehlte jede Spur.
    Ihr dreißigjähriger Enkel, ein erfolgreicher Immobilienmakler und Partyhengst, hatte einen schrecklichen Kater, den er sich in der vorangegangenen Nacht beim Junggesellenabschied eines Freundes eingehandelt hatte. In sich zusammengesunken, reisekrank und mit aschfahlem Gesicht saß er auf seinem Sitz und wünschte sich von ganzem Herzen, er hätte sich nicht auf diese Reise mit seiner Großmutter eingelassen. Sein Großvater hatte immer geprahlt, dass er schnelle Autos und schnelle Frauen mochte. Im Laufe der Zeit hatte er sich einen ganzen Fuhrpark mit teuren Karossen zugelegt, obwohl er selbst nicht gern hinterm Steuer saß. Die Wagen waren für Elsie, die sie anhimmelte – auch wenn sie fuhr, als hätte sie den Verstand verloren. Sie wurde nie müde, ihre Familie daran zu erinnern, dass sie im Krieg sogar Traktorfahrerin gewesen war. Bernard saß mit Vorliebe auf dem Beifahrersitz, paffte eine seiner besonderen kubanischen Zigarren und ermunterte Elsie, das Gaspedal bis zum Anschlag durchzutreten. Der Duft von teurem Tabak hing immer noch im Auto.
    Eine Fahrt mit Oma ließ einem das Blut in den Adern gefrieren, dachte Graham, wenn man nicht so tollkühn war wie Opa. Vorallem, wenn sie wie heute in Eile war. Er hatte eine verschwommene Erinnerung an Lastwagen, die sie in halsbrecherischem Tempo auf der Autobahn überholten.
    »Beeil dich, Graham! Dein Großvater hat sich nie über meinen Fahrstil beklagt.«
    Aber nur, weil ihn der Lungenkrebs erwischt hat, bevor du ihm bei einer Massenkarambolage den Garaus machen konntest, dachte Graham, hielt aber wohlweislich den Mund.
    Lady Carpenter trat beiseite, um ihn aussteigen zu lassen. Sie kniff die Augen zusammen und betrachtete eine gekrümmte Gestalt, die in einer uralten Bürgerwehr-Uniform angeschlurft kam. Der Mann stützte sich auf einen Stock und auf den Arm eines Mädchens, das einen langen geblümten Rock trug. Sie hatte eine große Basttasche, Decken und einen Liegestuhl dabei. In der Nähe der Toiletten blieben sie stehen. Das Mädchen klappte den Stuhl auf und half dem alten Mann, sich hinzusetzen. Sie drückte ihm einen zerfledderten Panamahut auf den Kopf und legte ihm trotz der Sonne eine Decke über die Knie.
    »So wahr ich hier stehe – das ist Albert Hawthorne«, murmelte Lady Carpenter. Sie sah zu, wie das Mädchen für sich selbst eine zweite Decke auf dem Boden ausbreitete und ein Taschenbuch, eine Thermoskanne und eine Sonnenbrille aus der Tasche hervorholte.
    »Möchtest du jetzt deinen Tee, Opa?«, fragte sie mit sehr lauter Stimme, wie man es für gewöhnlich bei Schwerhörigen tut. Der alte Mann nickte.
    Grahams Blick folgte dem seiner Großmutter. Dann klingelte sein Handy.
    Lady Carpenter runzelte verärgert die Stirn. Es waren die ersten Takte von Beethovens »Ode an die Freude«, ein besonders nervtötender Klingelton.
    »Tut mir leid! Ich glaube, wir haben endlich einen Kunden für diesen alten Kasten, den wir nicht loswerden konnten«, sagte er leise zu seiner Großmutter und schirmte dabei sein Handy mit der Hand ab. »Graham am Apparat«, meldete er sich dann gewandt.
    Lady Carpenter nahm ihre Puderdose hervor und kontrollierte ihren Lippenstift. Eines musste sie Graham lassen: Er hatte Bernies Geschick für Kungeleien geerbt. Sie hörte zu, was er sagte.
    »Das Haus am Regent’s Park?«, fragte er. »Ja, Park Village West. Bezauberndes Haus, Nash. Ja, es ist Teil der königlichen Besitztümer, sehr exklusiv. Nun, es gehört gewissermaßen der Königin, aber … Ja, bestimmt, daheim in Dallas werden sie ganz schön beeindruckt sein, aber Sie müssen sich schnell entscheiden. Diese Immobilien sind selten, sie sind praktisch weg, sobald sie auf den Markt kommen, vor allem wegen der großen Gärten … Sehr ungewöhnlich für London, genau. Es gab mal einen Kanal, der hinter all diesen Häusern verlief … nein, nein, heute nicht mehr, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, dass der Kleine hineinfällt. Der Kanal wurde im Krieg zugeschüttet. Die Leute sagen, dass das Licht nachts vom Wasser reflektiert wurde und die Deutschen sich das während des ›Blitz‹ beim Navigieren zunutze gemacht haben. Montag um zehn … wunderbar. Bis dann. Wiederhören.« Er drückte eine Taste und beendete das Gespräch. »Es wird ein Vermögen kosten, das Haus auf Vordermann zu bringen, und niemand

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