Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
Richard verließ das Dorf am nächsten Morgen, doch seine Frau blieb, wo sie war. Beim Metzger begegnete Alice ihr von Angesicht zu Angesicht. Sie hatte dunkles Haar und blasse Haut und sie hätte sehr schön ausgesehen, wenn da nicht diese leichte Schwellung um die Nase herum gewesen wäre. Etwas an ihr sah angeschlagen aus. Wie faules Obst, dachte Alice bitter.
Seitdem hatte Alice die Tage irgendwie hinter sich gebracht und ihre täglichen Pflichten in der Schule mechanisch erledigt. Wenn sie jedoch nach Hause kam, konnte ihre Mutter sich meistens nicht beherrschen und schimpfte immer wieder über Richards schändliches Verhalten. Irgendwann lief Alice in Tränen aufgelöst in ihr Zimmer. Nun bemühte sie sich, in der Öffentlichkeit ihre Würde zu wahren, auch wenn ihr schmerzlich bewusst war, dass sie sitzen gelassen worden war, wegen eines durchtriebenen Flittchens, das sich kleidete wie ein Stallbursche und mit einem merkwürdigen Akzent sprach.
Vor ihr erstreckte sich eine freudlose Zukunft.
Alice schloss die Sakristei auf und sog den tröstlichen, vertrauten Duft von Bienenwachs, alten Messgewändern, Altarwein, Politur, Mäusen und uraltem Weihrauch ein. Es war ein strahlender, böiger Herbstnachmittag und die Downs sahen einladend aus, doch Alice genoss es, die Sakristei für sich allein zu haben, sobald Nell mit dem Putzen fertig war. Sie knotete ihr Kopftuch auf, das sie sich fest um den Kopf gebunden hatte und das ihn merkwürdig klein aussehen ließ. Dann fuhr sie sich mit beiden Händen durch das Haar. Danach sah es nicht weniger matt und strähnig aus, doch Alice war das inzwischen egal.
Nachdem sie ein frisch gebügeltes Altartuch aus ihrer Tasche geholt und sorgfältig beiseitegelegt hatte, nahm sie eine geblümteSchürze vom Haken, die am Rand mit schlaffen Rüschen besetzt war. Sie band sie sich über den tristen Tweedrock und das Twinset, die ihre Mutter ausgemustert hatte, breitete Zeitungspapier aus und nahm die Dosen mit der Messing- und Silberpolitur vom Regal. Nell hatte die Kerzenleuchter für den Altar und den Teller für die Kollekte bereitgestellt, der silberne Kommunionskelch und der Teller für die Oblaten lagen in ihrem Stoffbeutel neben einer Schachtel mit frischen Kerzen.
Sie schloss die Augen und stellte sich ihren Vater vor, wie er der Predigt für den nächsten Tag den letzten Schliff gab. Er probte sie immer auf der Kanzel, um sicherzugehen, dass sie genau zwanzig Minuten dauerte, nicht länger. Nach seinem Tod bereitete Alice weiterhin den Altar für den Gottesdienst am Sonntag vor, weil sich im Dorf niemand angeboten hatte, diese Aufgabe zu übernehmen. Außerdem hatte sie samstags nachmittags sowieso nichts Besseres vor. Inzwischen gab es einen neuen Gemeindepfarrer. Er hieß Oliver Hammet und war unverheiratet. Alice seufzte. Mr. Hammet meinte es gut, doch er war jung und dies war seine erste Pfarrstelle. Es wäre besser gewesen, wenn ein älterer Mann dieses Amt übernommen hätte. Wenn man dem Dorfklatsch glauben durfte, dann hatte Lady Marchmont, die Crowmarsh Priors als ihren persönlichen Herrschaftsbereich betrachtete, mit dem Bischof »ein Wörtchen« über Mr. Hammet geredet, der ein entfernter Cousin von ihr war. Man hatte ihr versichert, er sei »in Glaubenssachen einwandfrei, ohne Frage einwandfrei«, woraufhin sie forderte, dass er die Pfarrstelle bekommen sollte. Und wie üblich hatte sie ihren Willen durchgesetzt.
Alice faltete die Lappen auseinander, die sie zu Hause ausgekocht hatte, und verteilte die Politur mit raschen Bewegungen auf den Metallflächen. Das Problem mit Jimmy und dem Friedhof war nur die Spitze des Eisbergs. Der neue Gemeindepfarrer hatte in Cambridge studiert, wie ihr Vater, doch im Gegensatz zu seinem Vorgänger war er alles andere als ein praktischer Mensch. Er erinnerte Alice an eine zerstreute Eule, eine große freundliche Eule mit Brille. Er führte einen aussichtslosen Kampf mit seinem Terminplanund jonglierte verzweifelt mit seinen Pflichten als Gemeindepfarrer, den Sitzungen des Kirchenvorstands und den Treffen mit den Presbytern und dem Mütterverein. Seine Predigten trug er mit nervöser Hast vor, sodass sie entweder sehr kurz gerieten oder sich viel zu langatmig in verwirrende Gefilde verirrten.
Alice hatte sich alle Mühe gegeben, ihm zu helfen, ohne dabei aufdringlich zu erscheinen. So wies sie Mr. Hammet taktvoll, aber rechtzeitig vor den jeweiligen Terminen auf den Mütterverein, die Dorcas-Gesellschaft und die
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