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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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erreichte, wandte sie sich um und warf einen letzten Blick auf ihr Zuhause mit seinen verschnörkelten Balkonen und dem weitläufigen Garten. Durch die geschlossenen Schlagläden drang nur hier und da ein wenig Licht nach draußen. Dann packte Richard ihre Hand und sie liefen zum Fluss hinunter, zu dem Schiff, das auf ihn wartete.
    Drei Stunden später, bei Sonnenaufgang, vollzog der Kapitän eine hastige Trauungszeremonie auf der Brücke. Er fragte sich, wie um alles in der Welt das Mädchen an sein blaues Auge und die geschwollene Nase gekommen war. Er hatte noch nie ein so schäbiges Mädchen gesehen und noch nie einen so glücklichen Bräutigam. Dann begann das Schiff zu schlingern. Die Braut wurde grün im Gesicht und stürzte an die Reling, um sich zu übergeben.

3
    Crowmarsh Priors,
    Oktober 1938
    Als sie am Samstagnachmittag das Tor zum Friedhof aufklinkte, sah Alice Osbourne die Lenkstange von Nell Hawthornes Fahrrad aus dem Unkraut ragen. Es lehnte am Kriegerdenkmal. Darauf waren eine lange Liste mit den Namen der glorreichen Toten des Dorfes und ein Motto in lateinischer Sprache zu lesen, wonach sich diejenigen glücklich schätzen dürfen, die bei der Verteidigung ihres Landes den Tod finden. Schockierend, wie hoch das Unkraut gewachsen war und wie vernachlässigt der Friedhof aussah. Eigentlich sollte Jimmy, der Junge des Metzgers, ihn in Ordnung halten, doch seit Alice’ Vater tot war, hatte er sich nicht mehr darum gekümmert. Die Inschriften der Grabsteine waren von Efeu überwuchert und dahinter hatten sich Brennnesseln und Dornengestrüpp breitgemacht.
    Alice fühlte sich zerbrechlich und kraftlos, so als hätte sie eine lange Krankheit hinter sich. Vor einem halben Jahr war Richard aus Amerika zurückgekehrt und eine fassungslose Penelope hatte sie aus London angerufen, um ihr die Nachricht zu überbringen. »Liebes, es gibt so schreckliche Neuigkeiten, ich weiß kaum, wie ich es dir sagen soll.«
    »Oh bitte, Gott, nicht Richard. Mach, dass Richard nichts passiert ist! Ist es sein Schiff?«
    Penelopes Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Nein, Alice. Er ist … er ist aus den Vereinigten Staaten zurück. Er ist, nun ja, es ist nur so … es tut mir so schrecklich leid.«
    »Du hast mir einen Höllenschrecken eingejagt. Dem Himmel sei Dank, ihm ist nichts zugestoßen.«
    »Er ist verheiratet.«
    »Aber … das ist unmöglich.«
    »Mit einer Amerikanerin.« Penelope klang, als würde ihr jemand die Luft abdrücken. »Alice, er bringt sie nach Crowmarsh Priors, dort wollen sie leben. Es scheint, als sei das Mädchen … schwanger. Alice, es tut mir so leid.«
    »Aber, Penelope, Richard und ich sind verlobt.«
    »Verlobt«, flüsterte sie, als sie den Hörer auflegte und damit Penelope das Wort abschnitt, die beteuerte, dass alles leider nur allzu wahr sei. Es musste ein Irrtum sein. Ein grausamer, böser Scherz, dachte Alice bei sich. Es konnte unmöglich wahr sein.
    Sie glaubte es nicht, bis sie eines Nachmittags eine Woche später beobachtete, wie Richards Sportwagen vor Penelopes Haus vorfuhr. Richard sprang heraus, um die Beifahrertür zu öffnen. Alice schlug das Herz bis zum Halse, als sie sah, wie er eine schlanke, dunkelhaarige junge Frau bei der Hand nahm, ihr beim Aussteigen half und sie die Vordertreppe hochgeleitete, als sei sie aus gesponnenem Glas. Dann hob er sie hoch und trug sie über die Schwelle ins Haus.
    Alice erfuhr bald, dass sie sich in New Orleans kennengelernt hatten, zusammen durchgebrannt und auf See getraut worden waren. Jimmy berichtete es Mrs. Osbourne und die erzählte es Alice mit weinerlich klagender Stimme beim Tee. »Mrs. Richard« war tatsächlich nach Crowmarsh Priors gekommen, um einstweilen hier zu wohnen. »Es ist alles so schockierend! Wie kann sich Penelope Fairfax je wieder mit erhobenem Haupt hier blicken lassen? Ich weiß nicht, was dein Vater dazu gesagt hätte!«, schloss sie, so wie sie es immer tat. Alice musste sich zusammenreißen, um nicht in ihre Teetasse zu beißen, die Scherben hinunterzuschlucken und an ihrem eigenen Blut zu ersticken.
    Am nächsten Tag stattete Richard Mrs. Osbourne und Alice in ihrem Häuschen einen Besuch ab. Alice öffnete ihm die Tür und die Farbe wich aus ihrem Gesicht. Sie konnte sich nicht anhören, was immer er zu sagen hatte, und so drehte sie sich auf dem Absatz um, überließ ihn ihrer Mutter und floh durch die Küchentür nach draußen. Sie wanderte ziellos umher, bis die Dunkelheit hereinbrach.

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