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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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Schranktüren auf, schob Tageskleider, Ballkleider und Tanzschuhe beiseite, bis sie ihre Reitstiefel, eine alte lange Hose und den dunklen Strickpullover mit Löchern anden Ellbogen fand, den sie immer anzog, wenn sie bei ihrer Großmutter angeln ging. Delphy war zurück und hämmerte an die verschlossene Tür. »Lassen Sie mich rein!«
    »Ist mit ihm alles in Ordnung?«
    »Wer’s in Ordnung?«
    »Laurent?«
    »Haben ihn fix weggetragen. Fährt heut Nacht nach Frankreich. Er lebt, so grade noch. Rippen gebrochen, Nase gebrochen, blutet schlimm, sieht aber aus, als würd er’s überleben. Der Doktor, der ist nun bei Mr. Maurice. Schimpfen und zetern tut er, der Mr. Maurice. Kann keinen Arm und kein Bein nicht bewegen. Mr Andre hat ihn ins Studierzimmer gezogen und die Karaffen hat er überall ausgeschüttet, damit’s nach Whiskey riecht. Dann sieht’s so aus, als hätten sie ordentlich gebechert, bis dass das mit den Böllern losging und alles. Ihr Papa, der ist im Esszimmer zusammengebrochen, und Ihre Mama rennt hin und her zwischen ihm und den Jungs. Oh, Gott, Miss Evangeline! Ihr Plan, der funktioniert nicht! Da steckt der Teufel drin.«
    »Pfeif auf den Teufel! Er muss funktionieren. Sag den Jungen, sie sollen Mama noch ein bisschen aufhalten, damit ich hier wegkomme.«
    »Miss Evangeline, der Engländer, der hat blaue Augen, helle Haare. Das Baby, wenn’s da ist, dann weiß er, wo’s herkommt. Und unten sind so viele Leute, laufen rum wie verrückte Hühner, und Ihre Familie, die kommt hier hoch und will Sie sehen. Sie kommen nicht aus’m Haus, das klappt nicht!«
    »Sei still, sag ich! Ich muss einen Moment nachdenken. Hol mir noch etwas Eis. Und halte einfach alle von meinem Zimmer fern!«
    Evangeline stopfte ihre Hosenbeine in die Reitstiefel, griff sich einen dunklen Seidenschal, den sie sich um die Haare band, schaltete das Licht in ihrem Zimmer aus und öffnete das Fenster. Als Kinder waren Andre und sie über das Verandadach aus ihrem Zimmer heraus- und wieder hineingeklettert, doch heute Abend schien der Boden weit weg zu sein und ihr war schwindelig. Ihre Nase warstark geschwollen, sie bekam kaum Luft und sie vermutete, dass ihr Schlüsselbein gebrochen war. Wie sollte sie das schaffen? Sie biss die Zähne zusammen.
    Im unteren Stockwerk war die Musik verstummt und Onkel Charles machte eine Ankündigung: Alle Gäste sollten bitte sofort das Haus verlassen. Erschrockenes Gemurmel wurde hörbar und die Leute begannen aufzubrechen. Ihre Autos verschwanden die Auffahrt hinunter, bis der einzige Mensch, der noch übrig war, der groß gewachsene, blonde Mann war, der im Schatten des Tores stand und zum Haus blickte. Evangeline sah ein winziges Licht aufglühen, als er sich erst eine Zigarette anzündete und sie rauchte, dann noch eine.
    Richard rief sich in Erinnerung, dass sie gesagt hatte, er solle am besten warten, bis das Haus für die Nacht zugesperrt sei. Er sah, wie Solomon die Türen schloss, doch als der Riegel vorgeschoben wurde, erfüllte ihn das Geräusch mit Verzweiflung. Und was, wenn sie nicht wegkam? Wenn sie nicht kam, würde er sterben. Er brannte vor Sehnsucht nach ihr. Sie hatte versprochen, mit ihm zu kommen, wenn er sie heiratete, und er hatte gesagt, dass sie nicht warten müssten, bis sie in England ankamen, der Kapitän konnte sie trauen, sobald sie auf dem offenen Meer waren. Wo war sie? Er dachte voller Sorge an die Flut. »Wir wollen doch nicht, dass sie Zeit haben, uns zu verfolgen«, hatte sie gesagt. »Warte am Tor auf mich.«
    Evangeline unterdrückte eine weitere Woge des Schwindels. Sie wusste, dass ihr nur noch wenig Zeit blieb. Sehr viel länger konnte Delphy ihre Mutter nicht mehr fernhalten. Da war es: Wieder glomm ein kleiner glühender Lichtpunkt auf. Noch eine Zigarette. Jetzt oder nie. Evangeline nahm ihre ganze Kraft zusammen und kletterte aus dem Schlafzimmerfenster auf das schräg abfallende Dach. Nicht nach unten sehen. Denk dran, ermahnte sie sich, du hast das schon oft gemacht. Es ist gar nicht schwer. Langsam schob sie sich zum Rand. Dort wuchs ein Feigenbaum direkt am Haus. Zum Glück war er nun größer als in ihren Kindertagen. Die Schmerzen in ihrer rechten Schulter raubten ihr fast das Bewusstsein,daher hangelte sie sich mit dem linken Arm am Baum herab. Sie ließ sich im Schatten zu Boden fallen, dann hastete sie am Rand der Auffahrt entlang, eine schäbig gekleidete Figur in abgetragenen Kleidern mit geschwollenem Gesicht. Kurz bevor sie das Tor

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