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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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den Kopf. Ihre Nase lief und ihre Augen waren rot. Auf der Wange hatte sie eine rote Strieme, als hätte sie jemand geschlagen.
    »Bisschen kalt zum Heulen, oder?«, bemerkte er.
    »Hau ab«, murmelte sie und wischte sich die Nase am Saum ihrer Schürze ab, die zweimal um ihre schmale Taille gewickelt war.
    Er grinste. Bei Constable Barrows und seiner Frau musste er immer aufpassen, was er sagte.
    Dann hatte er einen Geistesblitz. Constable Barrows junge Frau – frisch verheiratet und voller Enthusiasmus, was ihre neuen Pflichten als Hausfrau anging – war erschüttert gewesen, als sie denerbärmlichen Zustand von Bernies Hab und Gut gesehen hatte, das im Gästezimmer ausgebreitet lag. Sie hatte ihm einen Stapel alter Hemden von ihrem Mann gegeben und frisch gewaschene, gestärkte und gebügelte Taschentücher. Nun suchte er in seiner Hosentasche nach einem dieser Taschentücher. »Hier, das wirste wohl brauchen.« Er kam näher und hielt es ihr entgegen. »Na, komm schon, ist sauber.«
    »Und du hast es gewaschen, was?«, fragte sie ungnädig, nahm es aber trotzdem. Ihre Hände waren rot, die Haut war aufgesprungen. Sie seufzte zittrig, als sie sich das Gesicht abwischte.
    »Komm schon, schnaub aus«, ermunterte er sie. Da trompetete sie laut und vernehmlich ins Taschentuch.
    »Hab dich schon mal gesehn«, sagte er und hockte sich neben sie.
    »Ich weiß«, antwortete sie trübsinnig. »Ich hab dich auch gesehn. Du bist der Bursche, der bei Constable Barrows wohnt.«
    »Nee, früher, in der North Street. Du bist eine von den Pigeons, oder?« Sie nickte. »Komm, stehen wir lieber vom Boden auf. Wir können uns hier draufsetzen.« Er hievte sich auf das Grab des Ritters. Es stand ein bisschen schief, aber es war trocken. Er streckte ihr eine Hand entgegen. Sie stand auf, strich sich Rock und Schürze glatt und steckte ihre verrutschte Haube wieder fest. »Komm rauf. Pass auf den Schädel da auf, der steht so vor«, meinte er und rutschte beiseite, um ihr Platz zu machen. Er nahm ein Päckchen Woodbines heraus und bot ihr eine an. »Zigarette?«
    »Nee, danke.« Aus der Nähe betrachtet war ihr Gesicht herzförmig und blass, von dem roten Streifen auf der rechten Wange abgesehen.
    Elsie sah ihm zu, wie er ein Streichholz gekonnt an der Seite der Grabstätte anriss und seine Zigarette anzündete. Sein Profil war hager und scharf umrissen. Er hielt seine Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger und paffte sie wie ein alter Mann. Eine braune Haarsträhne hing ihm unordentlich in die Stirn, fast bis auf die Nase. An ihm war etwas Rastloses und Wachsames – selbst wenn er still saß, huschte sein Blick hin und her. Er erinnerte sie an dasFrettchen, das ihr Dad einmal mit nach Hause gebracht hatte. Er hatte es einem Mann im Wirtshaus abgekauft. Es war entwischt, als er es aus der Tasche nahm, um es den Kindern zu zeigen. Mum hatte gekreischt, als es über den Boden flitzte, und hatte das Tier mit dem Besen nach draußen auf die Straße gescheucht.
    »Du bist Onkel sein Junge«, sagte sie. Sie erinnerte sich an den Tag, als ihre Mutter den Pfandleiher zu sich nach Hause bestellt hatte, weil sie ihren Ehering verkaufen musste. Viele Leute, die in der North Street wohnten, stahlen sich zu Onkels schmalem kleinem Laden, doch Mum mochte nicht zum Laden gehen. Sie wollte nicht, dass jemand mitbekam, dass sie ihren schweren Goldring verpfändete, der letzte Beweis ihrer Achtbarkeit. Stattdessen hatte sie Onkel eine Nachricht zukommen lassen, mit der Bitte, sie zu besuchen. Als er kam, wurden die Kinder nach oben geschickt, doch Elsie hatte sich wieder hinuntergeschlichen und Onkel und den Jungen gesehen, der seinen Koffer trug. Wie sie so vom Treppenabsatz aus nach unten linste, hatten sich ihre Blicke getroffen und er hatte ihr zugezwinkert. Sie hatte gegrinst und zurückgezwinkert, doch dann sah Mum sie und scheuchte sie wieder nach oben. Danach hatte sie ihn ein paarmal in der North Street herumlungern sehen, doch Mum hatte immer dafür gesorgt, dass er nicht mit ihr sprach.
    »Onkel sein Junge? Tja, kann man so sagen.« Bescheiden sah er zu Boden. Es war, als würde er zugeben, dass er der Prince of Wales war. Und in gewisser Weise war er das auch. In der North Street waren sie stolz auf Onkel, er war eine Berühmtheit, mit teuren Anzügen, einem Auto und gewinnenden Manieren. Er lüftete den Hut, wenn er einer Dame begegnete, bezahlte samstags abends im Wirtshaus eine Runde für alle, tätschelte den Kindern den Kopf

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