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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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Penelope forsch. Sie blickte auf ihre Uhr. Sie hätte längst mit ihrer Liste zurück im Hauptquartier sein sollen. »Wenn ich persönlich mit Lady Marchmont spreche, bin ich mir sicher, dass sie ihren Beitrag leistet. Ich registriere Agnes und die Zwillinge sofort und lasse Sie morgen wissen, wohin Sie und die beiden Jüngsten geschickt werden.« Sie drückte Mrs. Pigeon ein Formular und einen Stift in die Hand. »Wenn Sie bitte hier unterschreibenwollen. Und nun entschuldigen Sie mich bitte, ich bin spät dran.« Sie riss Mrs. Pigeon das unterschriebene Formular aus der Hand und ging hastig zu dem Auto des
Women’s Voluntary Service
, das auf sie wartete.
    »Wann fahren sie denn los?«, rief Mrs. Pigeon ihr nach.
    Penelope drehte sich kurz um. »Am Freitag, Ende der Woche. Denken Sie daran, erst in die Schule, mit gepackten Sachen und allem. Und machen Sie sich keine Sorgen, Mrs. Pigeon, wir ziehen alle am selben Strang und dann kommt alles in Ordnung. Wiedersehen.«
    Mrs. Pigeon ließ die Schultern sinken. Sie hatte es getan. Hoffentlich war es die richtige Entscheidung. Ihre Elsie würde in einem respektablen Haushalt unterkommen, in sicherer Entfernung, und vor allem weit weg von diesem verschlagenen Jungen, Bernie, der Onkel überallhin folgte. Sie hatte ihn auf der Straße vor ihrem Haus herumlungern sehen und vermutete, dass er nach Elsie Ausschau hielt. Im Laufe ihrer Ehe hatte Mrs. Pigeon so ihre Erfahrungen gemacht und wusste genau, dass Bernie was auf dem Kerbholz hatte.
    Und wenn Elsie wegging und Dienstmädchen wurde, würden sie sie durchfüttern müssen. Das war viel wert. Das erinnerte sie an ihre hungrige Brut zu Hause. Sie ging eilig davon, damit sie den Katzenfuttermann noch erwischte.

8
    Crowmarsh Priors,
    November 1939
    Nach zwei Monaten, die er, von kleinen Unterbrechungen abgesehen, im gottverdammten Crowmarsh Priors am gottverdammten Ende der Welt beim Ortspolizisten und seiner frisch angetrauten Frau verbracht hatte, war Bernie Carpenter davon überzeugt, dass es auf dem Land schlimmer war als im Gefängnis. Er hätte sich nie vorstellen können, dass es einen derart langweiligen und gottverlassenen Ort überhaupt gab. Er vermisste Bow und Shoreditch. Er vermisste die aufregende Atmosphäre beim Hunderennen und die Buchmacher, die Onkel aufs Wort gehorchten, die Tanzlokale, in die er Onkel begleitete, wo er auf ihn wartete und mit einem Gefühl von Wichtigkeit den Tornister hielt, während sie ihn mit Banknoten füllten, ihrem Schutzgeld, und ihm, »Onkels Jungen«, zunickten. Er vermisste die Animiermädchen mit ihren angemalten Gesichtern und ihren Seidenstrümpfen, die sich um Onkel drängten und gut dufteten. Sie brachten Bernie Ingwerlimonade und wuschelten ihm durchs Haar und sagten, sie warteten nur darauf, dass er erwachsen würde. Er vermisste die Straßenmärkte, wo Verkäufer ihre Waren ausriefen und ihm einen Apfel zuwarfen, während Onkel das Diebesgut begutachtete, das unter den Karren versteckt war. Er vermisste auch das Gefühl der Spannung, das die nächtlichen Einbrüche mit sich brachten. Dann brachen siein ein Geschäft oder Haus ein, ohne sich um das splitternde Glas und sonstigen Lärm zu scheren, rafften zusammen, was sie kriegen konnten, und machten sich in Windeseile mit einem Sack voller Wertgegenstände davon. Dabei spitzten sie die Ohren, ob derjenige, der Schmiere stand, wie verabredet »Feuer!« schrie, wenn er die Polizei kommen sah. Aber am meisten vermisste er den kleinen dunklen Raum unter der Pfandleihe, den Geruch von Tinte und die Pressen, wenn er Pfundnoten herstellte, immer wieder neu ansetzte, um das Wasserzeichen richtig hinzubekommen und die Farbschattierungen verschiedener Währungen übte, auf denen Wörter in fremden Sprachen standen und komische alte Käuze mit Bärten abgebildet waren, während Onkel ihm mit kritischem Blick über die Schulter schaute und ihm zeigte, wie das kleinste Detail alles verändern konnte.
    »Das müsste genügen« war Onkels höchstes Lob – er war kein Mann vieler Worte – und Bernie lebte für dieses flüchtige Zeichen seiner Anerkennung. Und dann hatte Onkel eines Tages tief Luft geholt und gemurmelt: »Zum Teufel noch mal, du hast das richtige Auge und die richtige Hand, Junge. So was kann man nicht lernen, das hat man im Blut. Könnt ich selbst nicht besser hinkriegen.« Bernie platzte fast vor Stolz.
    Seit er in Crowmarsh Priors lebte – er wusste nicht genau, wo das war und wie lang er hier bleiben

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