Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
Miene.
Frances öffnete den Schnappverschluss ihrer Handtasche und suchte darin nach ihrem Lippenstift. »Ich glaube eher, dass er eigentlich ganz in Ordnung ist. Er leistet nämlich Kriegsarbeit. Es muss aber etwas streng Geheimes sein, denn …«
»Kriegsarbeit? Lächerlich! Wie um alles in der Welt kommst du auf diese absurde Idee?«
»Weil Elsie sagt, dass er von Zeit zu Zeit mit Leuten wegfährt, die sie
feine Pinkel
nennt. Ich hielt das alles für Unfug, aber dann kam ich letzten Sonntag auf einem Spaziergang an Constable Barrows Haus vorbei. Und ich war ganz erstaunt, als ich einen Wagen vorfahren sah, der genauso aussah wie der, den die Admiralität schickt, um Vater abzuholen. Ich erkannte sogar den Fahrer, obwohl es mir komisch vorkam, dass er keine Uniform anhatte und so tat, als würde er mich nicht sehen, als ich ihm zuwinkte. Ich dachte, sie wollten sicher irgendwas von Constable Barrows, obwohl ich mir auch nicht vorstellen konnte, warum sie einen offiziellen Wagen für einen Dorfpolizisten schicken, es sei denn, dieDeutschen könnten tatsächlich jeden Moment hier einfallen. Na, jedenfalls kam der Junge aus dem Haus, stieg in das Auto und dann fuhren sie mit ihm los. Auf dem Rücksitz saß auch noch ein anderer Mann. Seltsam, oder?«
»Nach allem, was ich gehört habe, ist dieser Junge krimineller Abschaum und das Mädchen ist ein nutzloses, freches Ding. Je eher sie aus dem Haus gejagt wird, desto besser.«
»Oh bitte, Tante Muriel! Elsie ist ein Schatz und es wäre so schrecklich, sie wieder in den Slum zurückzuschicken, aus dem sie kommt. Das darfst du nicht! Ihre Mutter und ihre jüngeren Brüder und Schwestern sind in den Norden evakuiert worden, ihre älteren Brüder haben sich freiwillig zur Marine gemeldet, sie wäre also allein mit ihrem Vater. Elsie sagt, er trinkt und verschwindet manchmal tagelang. Es ist doch sicher deine Pflicht … Penelope Fairfax gegenüber, sie noch eine Weile hierzubehalten.«
Muriel Marchmont runzelte die Stirn. Die arme Penelope hatte schon genug Mühe mit dieser schrecklichen Schwiegertochter, und Muriel fühlte tatsächlich mit ihr.
Rasch fuhr Frances fort: »Als wir auf einen Drink bei den Fairfax waren, bei Richards letztem Heimaturlaub, da hat mir seine Frau erzählt, dass sich Elsie mit dem ausländischen Mädchen angefreundet hat, das bei ihr untergebracht ist.« Frances wühlte wieder in ihrer Tasche. »Und Elsie sagt, dass sie sich für die Landarbeit gemeldet hat, sie will eine dieser Helferinnen im Landdienst werden. Hugo und Leander haben beschlossen, auf ihrem Hof welche zu beschäftigen – die Männer, die sonst die Landarbeit machen, haben sich freiwillig gemeldet oder sind eingezogen worden. Erst wollten sie Elsie nicht nehmen, weil sie noch so jung ist, aber sie hat gebettelt, dass sie Penelope deswegen fragen, und das haben sie getan. Penelope hat versprochen, sich darum zu kümmern, sobald sie Zeit hat. Wenn Elsie jetzt nach London zurückgeschickt wird, hat der
Women’s Voluntary Service
mit seinem Evakuierungsprogramm nur noch mehr Probleme. Penelope sagt, dass es ewig gedauert hat, bis sie Leute wie die Pigeons dazu überreden konnte, ihre Kinder überhaupt zu evakuieren, undmittlerweile raufen sie sich die Haare, weil so viele wieder zurückkommen. Die Leute glauben einfach nicht, dass es Angriffe mit Giftgas geben könnte.«
Muriel rang die Hände. Zu allem Überfluss brachte nun der Krieg alles durcheinander. Das normale Leben war auf den Kopf gestellt. Mädchen verrichteten die Arbeit von Männern, fuhren Traktoren und machten Heu! Und nun lebte im Dorf auch noch diese ausländische Kindsbraut, die kein Englisch sprach und ein Baby im Schlepptau hatte. So viele Leute waren nach England geströmt und niemand machte sich die Mühe, herauszufinden, ob sie Bolschewiken oder Juden oder sonst irgendetwas Gefährliches waren. Als Sir Humphrey Marchmont noch lebte, hatten er und seine Frau oft mit dem Parlamentsabgeordneten Archibald Ramsay zu tun. Sie konnten dem Standpunkt seiner Nordic League viel abgewinnen, die dafür plädierte, etwas gegen den Klammergriff der Juden um den Norden Europas zu unternehmen. Es war lächerlich von den Behörden, dass sie nicht mit der League zusammenarbeiteten, fand sie.
Inzwischen hatte der Krieg begonnen und sie empfand einen Anflug von Mitleid mit den Frauen mit ihren zerlumpten Schals und ihren hohlwangigen Kindern, die man in den Wochenschauen sah und die von den Nazis aus ihren Häusern
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