Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
ist – soweit ich weiß, bewahrt ihn dieses Arrangement vor einer Gefängnisstrafe. Elsie beteuert, dass er ein Freund aus diesem schrecklichen Teil von London ist, den sie Zuhause nennt, doch nach allem, was Mrs. Gifford herausfinden konnte, ist er eine Waise, die von Verbrechern großgezogen wurde. Der junge Mann scheint zu kommen und zu gehen, wie es ihm passt, und verschwindet bisweilen für mehrere Tage, und wenn wir alle im Schlaf umgebracht werden, haben wir das der Regierung zu verdanken und nicht den Deutschen.
Ich bedaure, dir mitteilen zu müssen, dass Elsie Anfang der nächsten Woche mit dem Zug nach London zurückgeschickt wird, falls du keine andere Möglichkeit siehst, sie unterzubringen.
Deine
Muriel Marchmont
Als sie den Briefumschlag versiegelte, wurde auf der Treppe das Geklapper von Absätzen laut und dann fegte Frances in einer Wolke aus Vol de Nuit in den Morgensalon. Sie trug einen warmen, mit Bändern besetzten Mantel und einen Rock aus Tweed und hatte ihren Pelz um die Schultern drapiert. In der Hand hielt sie einen Hut, der mit blauen Samtblumen verziert war. Die Farbe passte genau zu ihren Augen. Ziemlich elegant für einen verregneten Donnerstag in Crowmarsh Priors, dachte ihre Patentante säuerlich.
»Hör mal, Tante Muriel, als ich eben auf der Suche nach einem Keks war, fand ich Elsie in der Spülküche. Sie weint sich die Augen aus dem Kopf und sagt, dass sie nach Hause geschickt wird. Warum denn bloß, die arme kleine Maus?« Frances sah in den Spiegel über dem leeren Kamin und schob ihren Hut so zurecht, dass er schräg über einem Auge saß.
»Wenn du rechtzeitig zum Frühstück aufstehen würdest, brauchtest du keine Kekse, meine Liebe. Arme kleine Maus, also wirklich! Elsie, das muss ich leider sagen, ist kurz davor, sich ins Verderben zu stürzen, und das wegen irgendeines Jungen, den man in eine Besserungsanstalt schicken würde, wenn die Polizei auch nur einen Funken Vernunft hätte. Die Haushälterin hat heute Morgen eine schockierende Entdeckung gemacht.«
»Lieber Himmel! Was denn?«
»Seidenstrümpfe, wenn du es unbedingt wissen willst. Schokolade. Parfüm!«
Frances wandte den Kopf hierhin und dorthin und überprüfte, ob der Hut so richtig saß. Elsie durfte auf keinen Fall aus dem Haus gejagt werden. Sie und Elsie waren Komplizen. Elsie schlich sich mutig an einer schnarchenden Mrs. Gifford vorbei, um in den Nächten, in denen sie selbst in Brighton war und sich vor dem Morgengrauen ins Haus stahl, die Tür zu entriegeln. Frances revanchierte sich für diese Gefälligkeit, indem sie Elsie half, mit irgendwelchen Besorgungen als Vorwand aus dem Haus zu kommen, wenn sie ihren jungen Mann an dem Lorbeerbusch herumlungern sahen. Sie hatte Elsie eine Strickjacke gegeben, die ihr gut stand, zwei Spitzentaschentücher, eine Flasche mit Lavendelwasser, das für sie selbst viel zu fade war, und etwas Gesichtspuder. Das neue Strahlen in Elsies Gesicht und ein ungewöhnlicher Anflug von Verantwortungsbewusstsein hatten sie dazu verleitet, ein ernstes Wort mit Elsie zu reden: Sie solle dem Burschen, mit dem sie sich traf, keinerlei Freiheiten erlauben. Elsie hatte ihr zugezwinkert und gesagt: »Natürlich nicht! Ich lass ihn nur denken, er dürfte vielleicht, beim nächsten Mal!«
»Das ist sehr schlau, Elsie, Liebes, aber sei auf jeden Fall vorsichtig …«
»Oh! Ähm,
ich
habe Elsie die Strümpfe und die anderen Sachen gegeben«, sagte Frances nun rasch. »Sie hat, äh, ein paar zusätzliche Dinge für mich erledigt. Besorgungen machen, waschen und stopfen und so, weißt du.«
»Ich hatte keine Ahnung, dass Elsie zu etwas so Nützlichem überhaupt in der Lage ist«, meinte Muriel trocken.
Frances zupfte an dem kleinen Schleier und steckte ihren Hut fest. »Nun, mit meiner Wäsche stellt sie sich recht gut an. Und die Strümpfe habe ich ihr gegeben, weil sie sie so schön fand, ich hab so viele davon, weißt du, und einer von Hugos Freunden hat mir eine absolut gigantische Schachtel Pralinen gegeben. Selbstverständlich kann ich sie nicht essen, wenn ich meine Figur nicht ruinieren will, und du darfst sie wegen deines Blutdrucks nicht essen, Tante Muriel. Und der junge Mann kann gar nicht so schlimm sein, denke ich. Elsie kennt ihn aus London, sein Onkel hat ihn großgezogen.«
»Das ist noch lang nicht alles, nach dem, was Mrs. Gifford mir erzählt hat«, sagte ihre Patentante mit finsterer
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