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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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gelegt hatte. In einem zweiten Korb lagen Hyazinthen aus dem Garten, die sie den Cohens mitbringen wollte. Sie gab Evangeline zum Abschied einen Kuss und steckte dann ihren Hut fest. Der Fahrer verstaute die Reisetasche und die Hyazinthen im Kofferraum und dann setzten sich Tanni und Bruno auf den Rücksitz des Wagens. Johnny saß zwischen ihnen, den Korb mit den Eiern hielt Tanni auf dem Schoß. Das Auto fuhr los.
    Der junge Mann, der bei Constable Barrows untergebracht war, saß vorn neben dem Fahrer, doch die Trennscheibe war geschlossen, sodass Tanni nicht hören konnte, was sie miteinander redeten. Sein Profil erinnerte sie an ein kleines Tier, das Alice »Frettchen« nannte. Von Zeit zu Zeit wandte er sich um und zwinkerte Johnny zu, also lächelte Tanni ihn an. Sie wusste, dass er Bernie hieß. Elsie sprach von ihm, wenn sie Kartoffeln und manchmal auch verbotenerweise Konservendosen mit Rindfleisch oder Fisch mitbrachte, die sie gegen eine von Evangelines Wildpasteten eingetauscht hatte.
    Es gab so viel, was Tanni über ihr Leben in Crowmarsh Priors erzählen wollte, wenn sie endlich mit Bruno allein war. Allein! Sie spürte prickelnde Vorfreude. Der Wagen glitt durch die sonnenbeschienene Landschaft und abwechselnd zeigten sie und Bruno ihrem Sohn die Kühe und die Pferde auf den Weiden. Tanni betrachtete Bruno verstohlen und fragte sich, ob er auch so aufgeregt war, weil sie nach London fuhren.
    Doch der Anblick der Zerstörung, die der Feind angerichtet hatte, seit sie die Stadt zuletzt gesehen hatte, dämpfte Tannis gute Laune. Als der Wagen sich mühsam einen Weg durch den Schutt gebahnt hatte, vorbei an gähnenden Lücken, wo früher Häuser gestanden hatten, war die Sonne hinter Wolken verschwunden. Ein älter aussehender Rabbi Cohen kam mit Tante Berthe aus dem Haus, um sie willkommen zu heißen. Tante Berthe nahm Tannifest in den Arm und begrüßte Johnny mit großem Hallo. Die Eier, den Honig und die Blumen nahm sie mit begeisterten Ausrufen entgegen.
    Im Haus duftete es köstlich nach Suppe und Backwerk und dann war da noch etwas Würziges, etwas, das Tanni vertraut war. Zimt. Sie schloss die Augen und dachte an den Tisch, der in ihrer Familie für das Passahfest hergerichtet wurde. Er wurde schon am Tag zuvor gedeckt, mit einem Damasttischtuch und dem besten Geschirr. In der Küche ging es tagelang zu wie in einem Bienenstock, mit ihrer Mutter mittendrin. Frau Anna und die Dienstmädchen hatte sie nach Hause geschickt, sie waren erschöpft, nachdem sie das ganze Haus gründlich von oben bis unten geputzt hatten. Derweil stand Frau Joseph in der Küche. Sie hatte sich eine weiße Schürze umgebunden und hackte und röstete, zeigte Tanni, wie sie eine Prise von diesem und ein wenig von jenem hinzufügte, machte vor, wie fein die Äpfel in Scheiben geschnitten oder der Meerrettich gerieben werden sollte, und ließ die Zwillinge aus einer Schüssel mit Dörrobst naschen.
    Tanni öffnete die Augen. Tante Berthe hielt ihr einen Teller mit gezuckertem Mazzen und Mandelkeksen entgegen. Sie nahm einen Keks und brach ein Stück für Johnny ab. »Alles duftet so köstlich«, sagte sie zu Tante Berthe. »Danke für die Einladung.« Im Wohnzimmer war ein langer Tisch aufgebaut. Er stand schräg im Raum, um so vielen Gästen wie möglich Platz zu bieten. Die Tafel war mit einem weißen bestickten Tischtuch, blinkendem Porzellan und Gläsern gedeckt. Über dem Duft aus der Küche nahm Tanni den Geruch von Bleiche und Bügelwäsche wahr. Der Rabbi war mit Bruno in seinem Arbeitszimmer verschwunden. Tanni spürte, wie sie sich entspannte. Gedanken daran, was passieren würde, wenn sie und Bruno zusammen waren und sie ihr Negligé anhatte, gingen ihr unablässig durch den Kopf. Eigentlich konnte sie an nichts anderes denken.
    Tante Berthe dachte, wie blühend Tanni aussah. Diese Dame vom
Women’s Voluntary Service
hatte recht gehabt: Sie aufs Land zu schicken war genau das Richtige gewesen. Es war anderthalb Jahreher, seit sie Tanni zuletzt gesehen hatte, und damals hatte sie mit ihren dunklen Rändern unter den Augen und den hohlen Wangen wie ein Gespenst ausgesehen, vollkommen außer sich, weil sie mit ihrer Unterschrift auf einem Papier zugestimmt hatte, London zu verlassen, wo ihre Familie nach ihr suchen würde. Die Aussicht, stattdessen in einem Lager interniert zu werden, hatte sie nicht weniger entsetzt.
    »Komm, Liebes, ich zeige dir, wo ihr schlafen werdet.« Sie führte Tanni die Treppe hoch in ein

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