Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
machte, sodass das Garn kaum zu sehen war.
»Wie wunderbar!«, rief Evangeline. »Ich hatte nie genug Geduld zum Nähen. In der Schule haben die Nonnen immer alles aufgetrennt, was ich genäht habe, und dann musste ich von vorn anfangen.«
Tanni wurde rot vor Stolz und bot ihr an, auch einen Morgenmantel für sie zu nähen. Sie freute sich, dass sie sich auf diese Weise dafür bedanken konnte, dass sie sie aufgenommen hatte. Ein paar Tage später hatte Evangeline einen kleidsamen rosafarbenenMorgenmantel aus einer alten Tagesdecke. Sie war so begeistert, dass Tanni sie fragte, ob sie die Kisten mit alten Kleidern und Bettwäsche durchsehen dürfe, die auf dem Dachboden der Fairfax’ aufbewahrt wurden. Vielleicht gab es dort noch mehr Sachen, die sie umarbeiten konnte. »Bitte sehr, bedien dich. Dort oben nutzen sie sowieso niemandem«, sagte Evangeline.
Die Regierung schärfte der Bevölkerung ein, dass sie nichts verschwenden sollte, und alles, was mit Kleidung zu tun hatte, war knapp – von Nadeln über Knöpfe und Schnittmuster bis zu Reißverschlüssen. Es ging das Gerücht um, dass Kleidung bald rationiert werden sollte, genau wie Lebensmittel. Tanni verwendete alles an Stoffresten, was sie finden konnte, und nähte daraus Unterwäsche für sich selbst und für Johnny, der schnell aus allem herauswuchs. In Crowmarsh Priors und auf den Bauernhöfen in der Umgebung sprach sich schnell herum, dass Tanni mit alten Sachen wahre Wunder vollbringen konnte, und es dauerte nicht lang, bis immer ein alter Gartenkorb mit Nähaufträgen neben ihr stand. In einem kleinen Buch notierte sie sich die Maße der Leute. Albert Hawthorne brachte ihr die Zeitungen, wenn Nell und er sie ausgelesen hatten, sie konnte sie für Schnittmuster verwenden. Frauen brachten ihr getragene Kleider, die sie umarbeiten, weiter oder länger machen oder mit einem neuen Kragen und neuen Manschetten versehen sollte. An den Hosen der Männer mussten die Taschen repariert oder ein Flicken angesetzt werden, wenn der Hosenboden durchgescheuert war. Tanni änderte Kindersachen, aus denen die Kleinen herausgewachsen waren, und sie nähte sogar zwei Taufkleider, die sie mit wunderschöner Fältchennäherei verzierte. Die Frauen bezahlten so viel, wie sie sich leisten konnten, oder sie gaben ihr Marmelade, Kuchen, Obst und Gemüse. Im Herbst hatte die schwangere Frau von Constable Barrows für drei Umstandskleider und ein paar Babysachen mit zwei kostbaren Legehennen bezahlt, die sie von ihrer Mutter bekommen hatte. Evangelines Hühnerschar verdoppelte sich auf diese Weise.
Evangeline war dankbar für die Lebensmittel, mit denen Tanni den Haushalt unterstützte. Noch vor wenigen Jahren hatten TanteCelestes Anleitungen in Haushaltsführung sie zu Tode gelangweilt. Nun gab sie sich alle Mühe, sich an das zu erinnern, was sie gelernt hatte – schließlich musste sie im Dorf bleiben, bis Laurent mit einem Plan aufwartete. Und essen mussten sie, gar keine Frage. Maude, Tommy und Kipper hatten immer Hunger und obwohl Evangeline recht einfallsreich war, wenn es darum ging, die Rationen zu strecken, war es ein täglicher Kampf, vier Kinder und zwei Erwachsene satt zu bekommen – oder gar vier Erwachsene, wenn Frances und Elsie bei ihnen waren. Die Gartenarbeit und ihre Jagdausflüge hatten zudem den Vorteil, dass sie nicht so viel an Laurent dachte.
Tanni sah, wie schwer Evangeline im Garten arbeitete und wie sie überall etwas Essbares aufstöberte. Elsie und Frances schufteten auf dem Bauernhof und Alice organisierte Altkleidersammlungen für Flüchtlinge, strickte für die Soldaten, gab Erste-Hilfe-Kurse und unterrichtete in der Schule, und so war Tanni froh, dass sie sich ebenfalls nützlich machen konnte. Die Farbe kehrte in ihre Wangen zurück, sie begann jeden Tag voller Zuversicht und ermahnte sich, dass sie nun eine verheiratete Frau und Mutter war, eine erwachsene Frau, die Arbeit zu erledigen hatte, und kein verängstigtes Schulmädchen mehr.
Nun fachte sie die Glut im Kamin an und legte ein Holzscheit darauf, dann wickelte sie Johnny. Sie warf einen Blick durch das Fenster in den langgestreckten schmalen Garten hinter dem Haus. Kurz bevor er im vergangenen Herbst zur Armee ging, hatte Jimmy Evangeline geholfen, die Blumen und Büsche auszugraben, damit sie ordentliche Reihen mit Winterkohl, Rosenkohl und Porree setzen konnte. Einige Knollen hatten sie jedoch übersehen, sodass nun Krokusse und Osterglocken zwischen dem Gemüse blühten.
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