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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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nachzutun, unwillkürlich zu gähnen beginnt. Sie schlägt sich auf den Mund, lächelt verlegen, beginnt dann aber doch erneut zu singen, während Nadja im Takt mit dem Fuß auf den Boden stapft.
    »Von was handelt das Lied denn?«, fragt meine Mutter endlich, schon ganz atemlos, und greift wieder nach ihrem Bierkrug.
    Nadja schaut sie fragend an.
    »Um was das Lied geht«, wiederholt meine Mutter, »story?«
    »Ah«, sagt Nadja, »ljubos«, sie drückt wieder die Handflächen auf die Brust und wiegt sich hin und her, scheint sich plötzlich zu erinnern, »Lieb!«
    »Ah«, sagt meine Mutter.
    »Ja, ja, Lieb«, fährt Nadja fort. »Frau sage zu Mann: Bitte, bitte lieb du mir. Kann du sein böse Mann, kann du«, sie holt mit dem Arm aus, schlägt sich selbst auf die Schulter, »kann du mir mache bumm bumm, kann du mache was du wolle, bitte nur mir lieb.«
    Meine Mutter runzelt die Stirn. »Wie traurig.«
    »Nix traurig«, ruft Nadja. »Ist Lieb gut, auch schlimm Lieb. Schlimm Lieb mehr gut nix Lieb. Nix Lieb, nix Leb«, sie schüttelt heftig den Kopf, »versteh?«
    Meine Mutter nickt, was Nadja offenbar als Zuspruch interpretiert. Zumindest nickt sie ihr mal ebenfalls zu.
    »Nix Lieb, nix Mensch«, sie klopft auf die Spülmaschine, »nur maschinka, versteh? Ich viel Lieb. Viele Mann. Gute Mann, schlechte Mann, aber immer Lieb.« Sie lächelt versonnen, berührt meine Mutter am Arm. »Du mit Schura, Lieb?«
    Meine Mutter schaut zur Seite. Sie hebt den Krug vors Gesicht, behält den Schluck in ihrem Mund, während Nadja noch mal »Alexander mit du, auch Lieb?« fragt und sich dabei heftig über die Brust reibt.
    Meine Mutter wischt sich den Schaum vom Mund, zieht die Schultern nach oben, als würde sie nichts verstehen. Aber Nadja beginnt schon zu lächeln. Fast zärtlich fährt sie meiner Mutter über den Rücken und zwinkert ihr zu, drückt ihr endlich ein paar Töpfe in die Hände.
    »Du. Kuchnje«, sagt sie.
    »In die Küche soll ich das bringen?«, fragt meine Mutter.
    »Da, da, Kuchnje«, sagt Nadja, »brauch neu Topf.«
    Meine Mutter geht auf den Herd zu, sieht Schnuckiputzi, der sich über eine mannsgroße Pfanne beugt.
    »Sal!«, ruft er und kramt zwischen den Gewürzen über dem Herd herum.
    Der Schwarze kommt angelaufen. Da sei schon genug Salz drin, ruft er auf Portugiesisch, was ich jetzt leider so nicht wiedergeben kann, denn anders als meine Mutter spreche ich keine vier, fünf oder sonst wie viele Sprachen, »obwohl«, wie sie in solchen Momenten zu sagen pflegte, obwohl sie mit mir ja genauso wie meine Großeltern mit ihr in der Weltgeschichte herumgereist sei, sodass ich durchaus die Gelegenheit gehabt hätte, etwas aufzuschnappen, »aber da haben wohl die Gene deines Vaters reingepfuscht.«
    Meine Mutter hingegen versteht natürlich alles.
    »Hurenscheiße«, schreit Schnuckiputzi, »so fad wie das ist, essen es nicht mal die Schweine!«
    »Schwanz, was mischst du dich ein? Das ist meine Küche!«, antwortet der Schwarze.
    »Deine Küche? Du kannst froh sein, wenn ich dich nicht sofort rauswerfe für diesen Fraß!«
    »Mach doch, mehr Geld als du Schwuchtel mir zahlst, krieg ich überall!«
    »Ach geh doch Affen kämmen!«, brüllt Schnuckiputzi.
    »Arschgesicht, geh du doch Affen kämmen!«, erwidert der Schwarze (wie man, zumindest laut meiner Mutter, eben so auf Portugiesisch flucht).
    Schüchtern tritt sie näher, streckt die Töpfe von sich. »Ich soll Ihnen die bringen«, sagt sie, also, wirklich auf Deutsch, denn so viel Verstand ist anscheinend noch da, dass sie weiß, dass sie selbigen lieber nicht raushängen lassen sollte.
    Schnuckiputzi schaut überrascht auf.
    »Schnuggibuudsi, biste du noch hier?«, ruft er, und: »Hat geschmegd?«
    Meine Mutter nickt, hebt wieder die Arme.
    Der Schwarze runzelt die Stirn. Misstrauisch nimmt er ihr die Töpfe ab, schiebt sie unter den Herd.
    »Wo ist Alexandre?«, fährt Schnuckiputzi fort, »hat gelasst dia gans allein?« Bevor meine Mutter weiß, wie ihr geschieht, hat er sie am Arm gepackt und mit sich ins Restaurant gezogen, das zu ihrer Überraschung fast leer ist. Die Gäste sind verschwunden, nur die Kellner laufen noch umher, ziehen die Tischdecken ab.
    »Schnuggibuudsi!«, ruft Schnuckiputzi und läuft zielstrebig ins hintere Eck, »musst du passhe auf, sonst Schnuggibuudsi nehm nah Haus dein klein Freundin!« Er wackelt wieder mit den Hüften, stößt meine Mutter in Alex’ Arme.
    »Hallo«, sagt sie und schaut verlegen auf.
    »Hallo«, sagt

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