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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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Schnuckiputzi, der sie jetzt wohl doch losgelassen und sich irgendwohin gesetzt hat, einander wieder auf Portugiesisch ankeifen.
    »Und? Schmeckt’s?« Die schwarze Hand legt sich auf die Schulter des alten Mädchens, das gelangweilt in einer russischen Zeitschrift blättert.
    Schnuckiputzi stöhnt. »Was glaubst du denn?«
    »Also nicht?«
    »Geht so.«
    »Dafür schlingst du aber ganz schön!«, ruft der Schwarze und klopft auf die pralle Trommel unter Schnuckiputzis Hemd.
    Meine Mutter hört zu, wie die beiden von der Verunglimpfung des Essens zur Verunglimpfung des jeweiligen Äußeren, zu dem der jeweiligen Mutter, Schwester, Ehefrau wechseln, glaubt zu verstehen, dass es sich bei Letzterer im Falle des Schwarzen wohl nicht um das alte Mädchen, sondern um irgendeine »Missgestalt« handelt, die zu Hause, wo auch immer das nun ist, mit den verunstalteten Bälgern auf ihn wartet, während er hier »rumfickt« (wobei ich mich rückblickend frage, wo meine Mutter, ich meine meine Mutter bitte solche Worte gelernt haben will, aber was die Übersetzung betrifft, muss ich mich wie gesagt auf sie verlassen). Sie hört also zu, könnte sich fast ein wenig amüsieren, wenn sie nur endlich wüsste, wo denn auf einmal Alex ist.
    Aber von dem ist nichts zu sehen.
    Der asiatische Junge oder Mann steht auf, kommt mit einer Flasche zurück. Schnapsgläser werden gefüllt, wandern von Hand zu Hand.
    »Da! Ist gut!«, ruft Nadja und presst meiner Mutter ein Glas in die Hand, lässt nicht los, bis sie es an die Lippen setzt. Der Wodka, wenn es denn Wodka ist, meine Mutter wüsste ja nicht mal die Farbe, geschweige denn den Geschmack zu bestimmen, brennt in ihrem Hals.
    »Gib mir noch einen«, sagt Schnuckiputzi zu dem Schwarzen und knallt sein Glas neben die Flasche, »ich muss den scheiß Geschmack runterspülen.«
    »Jetzt hab ich aber genug«, brüllt der Schwarze. »Zwingt dich niemand weiterzuessen!« Er zieht ihm den Teller weg und stößt ihn zur anderen Seite.
    »Was regst du dich denn so auf?«, ruft Schnuckiputzi, »ist doch nicht meine Schuld, dass du nicht kochen kannst, du Hurensohn.«
    »Ich und nicht kochen? Du bist es, der nicht kochen kann, du Pimmel!«
    »Ich und Pimmel, du bist der Pimmel, wer soll denn dieses Zeug runterkriegen?«
    »Also ich find’s lecker«, sagt meine Mutter plötzlich, also eigentlich »eu acho que é delicioso« oder so was, warum gerade jetzt, weiß sie selbst nicht, vielleicht, weil sie die Streiterei nicht erträgt, wahrscheinlicher, weil sie die Tatsache, dass jemand glauben könne, dass sie etwas nicht könne, nicht erträgt.
    Der Schwarze und Schnuckiputzi starren sie an.
    »Ich bin natürlich kein Experte«, fährt sie auf Portugiesisch fort, »aber mir schmeckt es.«
    Schnuckiputzi schlägt sich mit den Händen an die Wange, reißt den Mund auf.
    Aber die Stimme, die »woher kannst du denn Portugiesisch?« fragt, ist nicht seine. Die gelben Augen blitzen über dem eben noch leeren Stuhl auf, kratzen an ihren Wangen entlang.
    »Also, äh  … , so richtig, also  … , wirklich gut kann ich es ja gar nicht«, stammelt meine Mutter.
    »Das klang aber doch sehr danach.« Alex’ Hosenbein streift ihr Kleid, während er sich neben sie setzt.
    »Das ist nur so ein bisschen was, was ich mir gemerkt hab, so, äh, im Urlaub.«
    Schnuckiputzi strahlt noch mehr. »Wo denn?«, fragt er.
    Meine Mutter denkt an die winzigen Dörfer, fernab aller Touristenorte, in denen die Lieferanten meines Großvaters ihre Warenlager hatten.
    »Also, so genau weiß ich das gar nicht mehr«, sagt sie, »irgendwo am Meer«, und, nur zur Sicherheit, »ich liebe das Meer!«
    Alex beugt sich über sie hinweg, hält die Hand auf, bis der Kellner neben Dima eine Zigarette hineinlegt. »Und das hast du alles einfach so aufgeschnappt?«, fragt er.
    Meine Mutter beißt sich auf die Lippen, überlegt fieberhaft, was schlimmer ist, Wunderkind oder Streberin. »Also, ein bisschen gelernt hab ich schon«, gibt sie endlich zu, »ich hab mir da so ein Buch gekauft, also gefunden mein ich, also, eigentlich hat es eine Freundin gefunden, während ich am Strand lag«, und als sei das noch immer nicht genug, »von der Frisörschule, eine Freundin von der Frisörschule.«
    »Alle Achtung!«, ruft Schnuckiputzi.
    Er greift nach der Wodkaflasche, oder nach was auch immer, füllt reihum die Schnapsgläser auf.
    »Auf Schnuggibuudsi!«, ruft er und reißt den Arm nach oben. Meine Mutter folgt seiner Bewegung, spürt, wie Alex’

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