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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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Stirn.
    Sie schaut zu Alex, dessen Haare nicht im geringsten einen Schnitt vermuten lassen, geschweige denn die traurigen Fädchen auf ihrem eigenen Kopf. Dann fallen ihr plötzlich Dima und das alte Mädchen ein, der schwarze Koch, die sie alle oben in seiner Wohnung gesehen haben.
    »Und zufällig wohnen wir auch noch im selben Haus!«, schiebt sie mit trockenem Mund hinterher, kann kaum glauben, wie dilettantisch sie sich plötzlich anstellt.
    Aber Nadja klatscht begeistert in die Hände. Irgendetwas rufend fasst sie sich in den Nacken und zieht das Haarnetz vom Kopf, unter dem dicke, blondgraue Locken hervorkommen.
    »Sie will, dass du ihr auch die Haare schneidest«, übersetzt Alex, und, während ihm Nadja ungeduldig auf den Oberarm trommelt, »wie die von Jane Fonda.«
    »Kann du?«, fragt Nadja. Sie greift nach der Hand meiner Mutter und legt sie sich auf den Kopf, wartet, bis die zögerlich die Finger durch das Haar streichen lässt, das sich unendlich viel kräftiger anfühlt als ihres, fast wie Pferdehaar. Sie kämmt den Scheitel von der einen zur andern Seite, versucht möglichst fachmännisch dabei auszusehen, als plötzlich Dima angerannt kommt.
    Er reißt die Arme in die Luft, sodass er wirklich wie ein Riese aussieht, beginnt auf Alex oder auf Nadja oder auf beide einzubrüllen. Aber die Einzige, die sich schuldbewusst unter seinen Worten wegduckt, ist meine Mutter.
    Alex grummelt etwas, so leise, dass sie nicht mal sagen kann, ob es deutsch oder russisch ist. Er hebt den Putzeimer auf und gibt ihn Nadja, nimmt meiner Mutter die Pfanne vom Schoß, die auf einmal leer ist.
    »Ich muss mal wieder ran.« Den Fuß schon am Trittschemel, wartet er, dass sie sich ebenfalls erhebt, schubst ihn ins Eck. Dann läuft er hinter Dima her zur Tür.
    Meine Mutter sieht ihm nach, hält sich an einem der Metalltische fest, während sich die Küche vor ihren Augen auf den Kopf dreht. Die Obstkisten laufen auseinander wie eine Kreidezeichnung im Regen. Etwas stößt gegen ihre Schulter. Der asiatische Junge schiebt sich an ihr vorbei, so mit Geschirr vollgepackt, dass er dahinter kaum zu sehen ist. Eine Serviette fällt zu Boden, während der Turm auf seinen Armen ins Schwanken gerät.
    Meine Mutter springt herbei und stützt die Teller von der Seite ab, läuft neben dem Jungen her, bis er seine Last stöhnend auf die Ablage hievt.
    »Sbasiba«, sagt er und wischt sich den Schweiß mit dem Handrücken ab.
    Meine Mutter lächelt, glücklich, dass sie wenigstens dieses Wort versteht, bevor sie eilig beginnt, das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen, nicht, dass ihr noch einfällt, von wem sie es gelernt hat.
    In ihrem Rücken hört sie Nadja protestieren.
    »Nicht der Rede wert«, sagt meine Mutter und legt sogar noch einen Zacken zu, lädt die erste Reihe voll, ist schon an der zweiten, als Nadjas Arme zwischen ihre fahren und sie unnachgiebig beiseiteschieben, sodass meine Mutter endlich selbst das saubere Geschirr sieht, das noch immer im unteren Schieber steht.
    Und sofort wieder blutrot anläuft.
    »Nix schlimm«, ruft Nadja. Mit drei Handgriffen dreht sie ihre Locken zu einer Kordel, dann zu einem Dutt und zerrt das Haarnetz darüber. Sie nimmt einen Bierkrug aus der Maschine, wischt die Soße ab, kickt mit der Sandalenspitze einen Mülleimer nach hinten. »Da. Du. Dreck«, sagt sie.
    Meine Mutter nimmt einen Teller vom Stapel und kratzt die Essensreste in die Tüte. Aus den Augenwinkeln sieht sie, wie Nadja dem Jungen vier, fünf, sechs, geht noch einer?, sieben Krüge in die Hände drückt, wie er an ihr vorbei zu einer Theke läuft, an etwas herumfummelt, was wohl ein Zapfhahn ist, bevor er mit den vollen Gläsern wieder hinausrennt.
    » Atenção«, hört sie jemanden rufen, während sie den Oberkörper so weit wie möglich nach hinten biegt. Aber die Tür zum Restaurant fällt so schnell zu, dass sie nichts dahinter erkennen kann.
    Sie stellt den Teller vorsichtig in, nein, dann doch lieber neben die Spüle, greift nach dem nächsten, während ihr Kopf immer wieder über ihre Schulter springt.
    Nadja lächelt wieder. »Komm Schura gleich«, sagt sie.
    Meine Mutter schaut sie verwirrt an.
    »Komm Schura gleich«, sagt Nadja noch mal lauter.
    Meine Mutter schüttelt entschuldigend den Kopf. »Wer kommt?«, fragt sie und, noch viel entschuldigender zu mir, mal wieder die Schamprioritäten verkennend, »ich hatte halt doch schon einiges getrunken.«
    Nadja reckt den Kopf nach vorne, wie eine Schildkröte, die

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