Fünf Kopeken
schwer wie Sandsäcke, die sie nach unten zogen.
Und dann plötzlich, dass etwas ihren Innenschenkel streifte.
Sie fuhr nach oben, sah die Katzenaugen, so nah, dass sie richtig erschrak. Ihre Zähne stießen an seine, während er ihre Unterhose zur Seite schob und sich in sie. Er hob ihre Beine auf seinen Rücken, schwamm mit ihr unter seinem Bauch auf das Ufer zu, bis ihm das Wasser nur noch bis zu den Unterschenkeln reichte. Die Brake schwappte ihr in den Mund. Sie sah die lose Erde, die sich zwischen ihrem und seinem Körper sammelte, klammerte sich an seinen Nacken. Ihr Po rutschte über den schlammigen Grund, während sie verzweifelt versuchte, den Kopf oben zu halten. Und dann küsste er sie, küsste sie endlich wirklich. Ein Kuss, dem nichts Technisches anhaftete, der weder etwas mit seinen Lippen, noch seiner Zunge, noch mit seinen Händen zu tun hatte, ein Kuss, den sie bis in die Zehenspitzen fühlte, der sich so tief in sie hineinbohrte, dass sie endlich vor Liebe zu ersticken glaubte.
Es ist schon dunkel, als sie aus dem Wasser kommen, bibbernd vor Kälte. Was sehr schön ist, weil es ihnen nicht nur Anlass gibt, einander immer wieder zu berühren, die Arme zu rubbeln, den Rücken zu streicheln, sondern auch, über einander zu lachen, darüber, wie ihrer beider Zähne klappern, wie er mit seinen zitternden Fingern den Gürtel nicht zubekommt und sie ihm helfen muss, wie sie »Ahhh!« ruft, während sie zur Haltestelle laufen und der Wind unter ihren Rock fährt. Bei jedem Schritt kriecht der nasse Stoff weiter zwischen ihre Beine, sodass sie ihn endlich mit beiden Händen festhalten muss, während sie in die Bahn einsteigen. Nicht, dass noch jemand etwas sieht. Denn die Unterhose ist unauffindbar. Immer wieder legt er seine Finger auf ihre Knie, schiebt sie zwischen die fest gekreuzten Beine, und versucht, dazwischen zu kommen. Zum ersten Mal seit Tagen fühlt sie sich wieder gut, fühlt sich sicher, glaubt, nichts befürchten zu müssen.
Und wird natürlich sofort dafür abgestraft.
Sie sind noch zwei, drei Haltestellen von zu Hause entfernt, als er plötzlich seine Hand wegzieht. Meine Mutter hebt verwundert den Kopf, fragt sich, ob vielleicht jemand eingestiegen ist, den er kennt. Aber niemand schaut zu ihnen hin. Sie versucht, ihn anzulächeln, öffnet sogar das Beinkreuz ein wenig. Aber er blickt nur aus dem Fenster, bis sie ankommen. Er kommt an. Und sie kommt an. Aber zusammen tun sie es schon nicht mehr.
Er läuft die Treppenstufen des U-Bahnhofs nach oben, an dem Dönerladen vorbei, sie ihm hinterher, wieder mit ein paar Metern Abstand, als dürfe sie nicht direkt neben ihm gehen. Sie blickt auf seinen Hinterkopf, blickt auf den Gehsteig, blickt an den gelben und weißen und cremefarbenen Häusern entlang, so nervös, dass sie sogar glaubt, die Farbe der Häuser zu nennen, sie sich aufzusagen, bunte Häuser, graue Straße, Himmel: blau, könne ihr helfen, ein Stück Kontrolle zurückzugewinnen. Vor lauter Anspannung beginnt sie sogar laut zu singen, wie ein Kind, das alleine in den dunklen Keller geschickt wird, merkt erst beim Kommet zuhauf, Psalter und Harfe wacht auf, lasset den Lobgesang hööören, wo ihr Unterbewusstsein sie hingeführt hat. Und hört trotzdem nicht auf. Lobe den Herren, der alles so herrlich regiiieret. Der dich auf Adelers Fittichen sicher gefüüühret.
Alex sieht sie irritiert an, beginnt aber doch zu lächeln, während er aufschließt, die Tür aufhält, sie offenbar wieder alleine durchgehen lassen will, sodass meine Mutter schnell »Ich kann auch noch mit hoch kommen« sagt.
Er atmet schwer, als sei er selbst etwas genervt von dem Spiel, das sie erst hinter sich bringen müssen, was ist denn mit Anna?, bei den Großeltern, schon wieder?, ja, ich muss doch lernen, dann hast du doch eh keine Zeit, naja, ein bisschen hab ich schon, und dein Mann?, ist aus, schon wieder?, bevor er endlich »ok« murmelt und ihr voraus nach oben geht, wo es ausnahmsweise völlig still ist.
»Schlafen die etwa schon?«, flüstert meine Mutter.
Aber das Wohnzimmer ist leer. Die Schlafsäcke sind ordentlich zusammengerollt, die Vorhänge aufgezogen. Unter der Unterwäschefrau stehen die leeren Flaschen sauber aufgereiht, daneben drei prallgefüllte Mülltüten.
»Wahnsinn, ich hätte nicht gedacht, dass sie noch mal das Haus verlassen«, sagt meine Mutter lachend, aber auch die unerwartete Zweisamkeit scheint an Alex’ Stimmung nichts zu ändern.
»Ich bin todmüde«, sagt er
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