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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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und geht ins Schlafzimmer, zieht sich aus, lässt sich aufs Bett fallen, ohne auch nur die Tür zuzuschieben.
    »Es ist doch noch früh«, sagt meine Mutter.
    Alex drückt das Gesicht ins Kissen. »Wenn du noch wach bleiben willst, kannst du ja runtergehen.«
    »Nein, nein, ich bin auch schon ganz schön geschafft«, sagt sie und streift eilig Rock und Pullover ab.
    Sie schlafen. Er schläft. Und sie schläft mal wieder nicht. Und dann irgendwann nach tausend Jahren Starren und Warten und Hoffen doch. Aber auch nicht wirklich. Dafür wird sie zu oft geweckt, das erste Mal davon, dass Romão ins obere Stockbett klettert. Das zweite Mal, als Dimas Brüder im Flur zu schreien beginnen, worauf Romão wieder aufwacht und ebenfalls ein bisschen rumbrüllt, bis endlich Dimas Mutter dazwischen geht und ihre Söhne offenbar in die übrigen Betten schickt. Meine Mutter drückt sich an Alex’ Brust, schiebt ihre Nase in seine Achseln. Aber diesmal findet sie tatsächlich keinen Schlaf mehr. Stundenlang liegt sie wach, hört das Schnarchen der Mutter, die sich nach der Schlichtung einfach auf dem Fell zusammengerollt hat. Sie sieht das Licht, das sich Stück für Stück durch den Schal vorm Fenster schiebt, bis das Zimmer taghell ist. Hört die Busse fahren, Fahrräderketten klirren, all die Geräusche, die sie kennt, auch wenn sie ihr hier viel lauter scheinen, hallender, als würden die paar Meter, die seine Wohnung näher an der Straße liegt, einen riesen Unterschied machen. Aber davon aufwachen tut trotzdem niemand.
    Es muss schon Mittag sein, als er sie plötzlich von sich wegdrückt und sich aufsetzt. Er lässt den Blick durch den Raum schweifen, tastet nach seiner Uhr.
    »Wie spät?«, fragt meine Mutter.
    »Scheiße«, sagt er, als sei das Antwort genug, während er das Armband wieder um sein Handgelenk befestigt.
    Sie stützt sich auf, küsst ihn.
    »Ich muss los«, sagt er und kramt neben dem Bett herum, schiebt ihr ihre Kleider hin, murmelt wenigstens »na komm, Buba«, sodass sie es endlich schafft, ebenfalls aufzustehen und sich anzuziehen.
    Sie streicht sich das Haar hinter die Ohren, das noch immer nass ist, steigt auf Zehenspitzen über die Beine hinweg.
    Wann?, hallt es in ihrem Kopf, während sie vor ihm hergeht.
    Wann?, denkt sie, als er die Tresortür an ihr vorbei nach innen zieht und wartet, dass sie geht.
    Wann?, fragt sie endlich, »Wann sehe ich dich wieder?« und drückt sich an seinen Bauch.
    »Heute Abend«, antwortet er und schiebt sie ins Treppenhaus, während er selbst in der Wohnung stehen bleibt, als seien seine Füße mit dem Boden verwachsen.
    »Was?«, fragt sie überrascht. Und weil sie es so gerne noch mal hören möchte. Aber sein Vorrat an Worten ist schon wieder aufgebraucht. Als wisse er ganz genau, dass sie ihn sehr wohl verstanden hat, lächelt er sie an und fährt ihr übers Gesicht, nicht über die Wange, wirklich über das Gesicht, wie ein Blinder, der die Züge seines Gegenübers erfühlt, lässt die Fingerkuppen von ihrer Stirn über die Augenlider an der Nase entlang ganz langsam zum Mund gleiten, bevor er ganz plötzlich den Arm zurückzieht und die Tür schließt.
    Meine Mutter läuft nach unten und schält sich aus den schmutzigen Sachen. Duscht. Putzt Zähne. Föhnt sogar ihr Haar. Und dann wartet sie, den Blick stur geradeaus gerichtet, wagt nicht, sich zu rühren und die Zeit beim Vergehen zu stören, bis es endlich, endlich dunkel wird.

18. Kapitel
    Und dann fällt das Fahrrad um. Vielleicht noch nicht an diesem Abend, als ihr niemand öffnet. Vielleicht auch noch nicht am nächsten Morgen, als der Tresor wieder verschlossen bleibt. Aber spätestens am Abend, als endlich Romão in der Tür auftaucht und beim Anblick meiner Mutter erschrocken zurückweicht, gerät sie ins Schlingern.
    »Do you know where Alex is?«, fragt sie mit einer Stimme, die ihr noch auf halber Strecke entgleitet.
    »Sorry«, antwortet Romão und fummelt an seinen Taschen herum.
    Das alte Mädchen kommt aus dem Schlafzimmer, die Lider halb geschlossen.
    »She searches Sascha«, sagt er in ihre Richtung und zieht bedeutungsvoll die Brauen nach oben, wie ein Mann, der seiner Frau über die Köpfe der Kinder hinweg zu erklären versucht, dass der Struppi jetzt AUF DEM BAUERNHOF LEBT !
    Aber das alte Mädchen scheint zu müde für Subtilitäten. Sie reibt sich ihr Mondgesicht, schüttelt träge den Kopf. »Not say goodbye?«, fragt sie.
    Das Herz meiner Mutter schlägt aus. »Why goodbye?«
    Das alte

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