Fuenf Maenner Fuer Mich
standesgemäß zum Gericht zu kommen: Ich muss mich abholen lassen, von einem sympathischen Mann mit Auto. Ich denke kurz nach, gehe die Kandidaten meines 5L-Projektes in Gedanken durch. Birkensohle hat eine neue Freundin und könnte schwerlich erklären, warum er um sieben Uhr morgens plötzlich aus dem Haus muss. Der Bauingenieur und Dessousliebhaber von neulich ist wahrscheinlich schon längst auf einer Baustelle. Tekim muss sich um das Frühstück für seine Gäste kümmern und Kevin wohnt zu weit weg. Da fällt mir nur einer ein: mein Scheidungsanwalt! In zarten Tonmodulationen flöte ich ins Handy und bitte ihn um diesen Gefallen. Er kann mir nicht widerstehen und sagt zu. Eine Viertelstunde später fährt er in einer verrosteten Schrottkarre vor. Trotz seiner jungen Jahre wirkt er wie ein zerstreuter Professor, wischt noch schnell ein paar Krümel vom Beifahrersitz, wirft die im Fußraum deponierten alten Zeitschriften auf die Rückbank und lächelt spitzbübisch.
„Müssen wir noch was besprechen?“ Ich grübele. Gibt es Knackpunkte, die wichtig sind?
„Der Richter wird dich fragen, ob die Ehe wirklich zerrüttet ist. Ob du nicht doch eventuell zu ihm zurückkehren willst …“
„Was?“, schreie ich. Mein Anwalt zuckt zusammen.
„Entschuldige“, murmelt er in seinen nicht vorhandenen Bart, er ist nämlich frisch rasiert, und ich überlege einen Moment, wie es sich anfühlen würde, ihn zu küssen.
Wir parken und machen uns auf den Weg zum großen Gerichtsgebäude. Ich bin definitiv zu gut gelaunt für diesen ernsten Anlass, er übrigens auch, und aus unerklärlichen Gründen werden wir immer wieder von Lachanfällen geschüttelt, wie zwei alberne Teenager.
„Bitte erzähl mir was Trauriges, lass uns mein persönliches Drama Revue passieren, sonst nimmt der Richter mich nicht ernst und meine Scheidung gerät doch noch in Gefahr!“
Wir erinnern uns an das plötzliche Verschwinden meines Gatten und der Ernst der Lage wird mir wieder klar. Wie böse Gespenster tauchen die vergangenen Ereignisse vor meinem inneren Auge auf.
Noch vor einem halben Jahr konnte mich Gregor nur mit Mühe von meinem Vorhaben abbringen, meinen Ex mitten in der Nacht in unserer ehemals gemeinsamen Wohnung aufzusuchen und alles kurz und klein zu schlagen. „Das entspricht doch nicht deinem Stil“, meinte er damals. „Gib dir keine Blöße, zeig ihm lieber deine Größe.“ Das klang wie ein Gedicht und ließ mich innehalten. Das Kurz-und-klein-Schlagen durfte ich dann in geregelten Bahnen nachholen, als ich nach dem plötzlichen Verschwinden von Herrn X die Wohnung räumen musste. Ich brachte die komplette Einrichtung – abgesehen von dem Sofa für Tekim – und alle verbliebenen Gegenstände zum Sperrmüll, warf sie in die großen Container des Wertstoffhofes und ergötzte mich am Splittern und Krachen der Möbel unter der Eisenkugel des Baggers, der restlos alles zusammenstampfte.
Wir werden in den Gerichtssaal gerufen. Er misst knapp zwölf Quadratmeter und wirkt wie eine Einzelzelle im Knast. Der Richter hat sein haselnussbraunes Haar sorgfältig gescheitelt und erwartet uns mit ernstem Gesicht. Die Tische sind in U-Form angeordnet, wie früher bei der Gruppenarbeit im Gymnasium. Er sitzt an der Stirnseite. Mein Anwalt und ich sitzen rechts, die gegenüberliegende Seite ist leer. Da ist gar keiner, kein Anwalt, kein Gegner, nur die hellgraue Wand hinter dem hellgrauen Tisch und dazwischen nichts als Luft.
Überflüssigerweise liest der Richter die Liste der Anwesenden vor. Nach einigen Formalitäten kommt die Frage, ob die Ehe zerrüttet sei oder ob ich nicht doch zurückkehren wolle. Mein Anwalt blickt mich streng an, damit ich nicht empört vom Stuhl springe. Also schlucke ich und schüttele nur vehement den Kopf. Nach nur fünf Minuten bin ich geschieden.
Ich blicke ratlos vom Anwalt zum Richter: „Wie, das soll es schon gewesen sein?“
„Sie sind jetzt geschieden“, verkündet der Richter zum zweiten Mal als Reaktion auf meinen ungläubigen Blick.
„Haben Sie nicht so einen kleinen Hammer, mit dem Sie auf den Tisch hauen?“, frage ich. „Ich habe das mal im Kino gesehen.“ Ich befürchte nämlich, dass das hammerlose Urteil nicht rechtskräftig ist.
„Nein, haben wir nicht“, entgegnet der Richter mit ausgesuchter Höflichkeit. „Die Stadt muss sparen. Da sind solche Extras nicht drin.“ Ich betrachte kritisch seinen gutmütigen Gesichtsausdruck und folgere daraus, dass er das nicht
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